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Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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den Köpfen gegen die Decke warf. Ich riß das Steuer nach rechts herum und bog in eine andere Straße ein, die aber nur wenig besser war. Im Vorbeifahren schrie uns jemand an, und eine Flasche zerschellte an der Tür.
Auf der linken Straßenseite standen keine Häuser mehr, verbranntes Unkraut schoß aus Kieshaufen, zerfallenen Betonplatten und Ziegeln. Rechts von uns waren halbverfallene Häuser, die schon vor einem halben Jahrhundert hätten abgerissen werden müssen; sie würden die Last von Armut und Vernachlässigung bis zu dem Tag mit sich herumtragen, an dem sie wie Dominosteine gegeneinander fielen. Dann würde die rechte Straßenseite genauso aussehen wie die linke. Auf den Haustreppen saßen überall Menschen, die nicht allzu erfreut waren, daß zwei Weiße in einem rollenden Schrotthaufen ihre Straße hinunterfuhren. Ein paar mehr Flaschen trafen das Auto, vor uns ging ein Feuerwerkskörper hoch.
Ich erreichte das Ende der Straße und bog in dem Moment, als ich das andere Auto einen Häuserblock hinter mir auftauchen sah, nach links ab. Diese Straße war noch schlimmer; ein düsterer, vergessener Feldweg, der durch braunes Unkraut und die skelettartigen Überreste verlassener Mietshäuser führte. Ein paar Kinder standen neben einem brennenden Mülleimer und warfen Knallfrösche hinein. Hinter ihnen stritten sich zwei Penner um den letzten Schluck Whiskey aus einer Flasche. Dahinter erhoben sich für unbewohnbar erklärte Mietshäuser aus zerbröckelndem Ziegelstein, deren schwarze Fenster keine Glasscheiben mehr besaßen, an manchen Stellen waren sie von einem vergessenen Feuer versengt worden.
Angie sagte: »Oh, Scheiße, Patrick.«
Die Straße war eine Sackgasse, sie endete in zwanzig Metern Entfernung. Eine schwere Betonsperre und in vielen Jahren angehäufter Schutt und Gestrüpp standen uns im Weg. Ich sah mich um, während ich das Bremspedal drückte. Das andere Auto bog um die Ecke und kam auf uns zu. Die Kinder entfernten sich vom Mülleimer, da sie merkten, daß ein Kampf in der Luft lag, und nicht in die Schußlinie geraten wollten. Ich trat auf die Bremse, doch antwortete der Vobeast nur mit einem feindseligen Kreischen. Metall schlug auf Metall, ich hätte genausogut in einem Auto der Familie Feuerstein sitzen können. Es schien sogar noch schneller zu fahren, bevor wir gegen die Betonabsperrung knallten.
Mein Kopf schlug auf das Armaturenbrett, in meinem Mund zersplitterte etwas Metallisches, und ich wurde von dem Aufprall durchgeschüttelt. Angie war ein bißchen besser vorbereitet. Sie schnellte nach vorne, wurde jedoch vom Sicherheitsgurt gehalten.
Wir mußten uns nicht groß ansehen, bevor wir beide aus dem Wagen sprangen. Ich mühte mich gerade über die Motorhaube, als auf dem abgenutzten Beton hinter uns die Bremsen quietschten. Angie sprintete wie eine Hundert-MeterLäuferin durch das Gestrüpp, den Beton und das zersplitterte Glas. Sie hatte die Brust vorgestreckt und den Kopf zurückgeworfen. Als ich in Fahrt kam, hatte sie schon gut zehn Meter Vorsprung. Unsere Verfolger schossen aus dem Auto heraus. Die Kugeln schlugen neben mir im Boden ein, und zwischen all dem Müll spritzten die letzten Reste Erde auf.
Angie erreichte das erste Gebäude. Sie sah sich nach mir um und winkte mir zu, ich solle schneller laufen, wobei sie mit der Pistole in meine Richtung zeigte und den Kopf reckte, um das Ziel anzuvisieren. Ihr Gesichtsausdruck gefiel mir ganz und gar nicht. Dann merkte ich, daß vor mir Lichtstrahlen auf- und niederhüpften, von den Häusern zurückgeworfen wurden, und sah meinen Schatten. Sie waren uns hinterhergefahren. Genau das, was ich befürchtet hatte. Irgendwo zwischen diesem Gestrüpp und dem Schotter hatte es mal Straßen gegeben, bevor diese Gegend für unbewohnbar erklärt worden war. Und eine hatten sie gefunden.
Eine Salve durchlöcherte einen Haufen kaputter Ziegelsteine, während ich darüber sprang und das erste Mietshaus erreichte. Angie wartete auf der Türschwelle auf mich und lief mit mir weiter. Wir rannten, ohne uns Gedanken zu machen und uns vorher umzusehen, hinein und stellten fest, daß es ein Gebäude ohne Hinterwand war. Schon vor langer Zeit war sie in sich zusammengefallen. Wir waren genauso ungeschützt wie vorher.
Das Auto fuhr mitten durchs Haus und raste über eine alte Metalltür vor uns. Ich nahm es ins Visier, weil ich mich nirgendwo verstecken konnte. Der Beifahrer und der Typ auf dem Rücksitz hielten schwarze Gewehre aus den Fenstern.

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