Stresstest Deutschland
Da die Gesamtverschuldung der Eurozone vergleichbar mit der etwas höheren Gesamtverschuldung der USA ist, gibt es auch keinen überzeugenden Grund, warum Eurobonds wesentlich billiger oder teurer als die Treasury-Bonds der USA sein sollten, die nur unwesentlich höher verzinst sind als deutsche Staatsanleihen.
Um die Vorteile von Eurobonds zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf Italien. Das Land ist mit rund 1 900 Milliarden Euro verschuldet. Momentan muss Italien jedes Jahr rund achtzig Milliarden Euro zur Bedienung der Zinskosten zahlen. Wenn das Land seine gesamten Schulden zum aktuellen Marktzins von 6,4 Prozent neu aufnehmen müsste, würden die Zinskosten auf 122 Milliarden Euro steigen. Legt man jedoch den aktuellen Marktzins für Bundesanleihen von 1,8 Prozent an, würden die Zinskosten auf 34 Milliarden Euro sinken. Wenn man einmal unterstellt, dass der Zins für Eurobonds sich am Zins für Bundesanleihen orientiert, beträgt der Vorteil für Italien somit 88 Milliarden Euro –Geld, das nicht nur zur Rückzahlung der Schulden verwendet werden kann, sondern auch ausreichend Manövriermasse für Konjunkturprogramme darstellt. Dank der gesunkenen Zinskosten wäre die Politik nicht gezwungen, sich auf kontraproduktive und halsbrecherische Sparprogramme einzulassen. Das jedoch widerspricht der deutschen Linie, die auf Teufel komm raus im Sparen den einzigen Ausweg aus der Krise sieht.
Ein weiteres beliebtes Argument gegen Eurobonds ist die weitverbreitete Annahme, dass die nationalen Regierungen in unbegrenztem Umfang von diesem Instrument Gebrauch machen könnten. Dieses Argument ist jedoch in jeder Hinsicht unsinnig, da die Modalitäten ohnehin durch einen gemeinsamen Vertrag ausgehandelt werden müssten. Wenn Angela Merkel es schon schafft, der gesamten Eurozone eine kontraproduktive und unsinnige Schuldenbremse zu diktieren, wird sie es ja wohl auch schaffen, einen Vertrag für Eurobonds aufzusetzen, der den Missbrauch dieses Instruments ausschließt.
Das Ende der Spekulation wäre möglich
Eurobonds wären eine wirkungsvolle Methode, um die Krise zu entschärfen. Besser wäre es jedoch, das Einfallstor für Spekulanten ein für alle Mal zu schließen und die Staatsfinanzierung von den Finanzmärkten zu entkoppeln. Um das Risiko eines Kreditausfalls zu minimieren, muss ein möglichst solventer Bürge oder Mitschuldner für gefährdete Staaten gewonnen werden. Selbst Eurobonds sind letzten Endes an die Kreditwürdigkeit des stärksten Mitglieds der Währungsgemeinschaft gekoppelt. Ob Deutschland als Fels in der Brandung für die Schulden der gesamten Eurozone haften kann, ist eine eher akademische Frage. Ein Nationalstaat als »lender of last resort« (Kreditgeber der letzten Zuflucht) ist ökonomisch fragwürdig, politisch nicht denkbar und auch keinesfalls sinnvoll. Der einzige »lender of last resort«, der sowohl über die nötigen Mittel verfügt und zudem vollkommen unabhängig vom Urteilder Finanzmärkte ist, kann immer nur eine Zentralbank sein, die sich dieser Aufgabe auch stellt.
Die EZB kann – wie jede andere Zentralbank – Geld drucken und verfügt sowohl theoretisch als auch praktisch über unbegrenzten Geldvorrat. Bereits heute wird die EZB von der Politik als Instrument zur Krisenbewältigung eingesetzt. Mitte Dezember 2011 hatte die EZB Staatsanleihen im Marktwert von 211 Milliarden Euro in ihren Bilanzen. 21 Da der EZB jegliche Tätigkeit an den Primärmärkten verboten ist, stammen diese Anleihen ausschließlich von den Sekundärmärkten, auf denen die EZB und die nationalen Notenbanken seit geraumer Zeit sogenannte Stützungskäufe durchführen. Ziel dieser Stützungskäufe ist es, die Kurse auf dem Sekundärmarkt zu stabilisieren und dann darauf zu hoffen, dass sich die Käufer am Primärmarkt an diesen »falschen« Preisen orientieren. Selbstverständlich tun sie dies nicht, und somit stellen die Stützungskäufe für die Banken und Spekulanten eine ganz hervorragende Möglichkeit dar, sich ihrer Anleihen zu einem vertretbaren Kurs zu entledigen. Solange es zu keinem Zahlungsausfall kommt, ist dies übrigens ein sehr gutes Geschäft für die EZB , die – anders als einige Banken – Papiere nicht zum Marktpreis bilanzieren muss und somit die nötige Luft hat, die Krise auszusitzen und am Ende der Laufzeit Kasse zu machen.
Das Argument der geldpolitischen »Falken« – beispielsweise des scheidenden deutschen EZB -Direktoriumsmitglieds Jürgen Stark, der von der spanischen
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