Striptease: Roman (German Edition)
wie ein Erdwurm. Er fühlte sich clever, unsichtbar und sicher. Wäre er nüchtern und Herr seiner Sinne gewesen, hätte er sich wahrscheinlich Gedanken über den Bestimmungsort des Lastwagens und über die Weiterverwendung seines Inhalts gemacht.
Die beladenen Anhänger werden von den Feldern zur Fabrik gebracht und kippen ihren Inhalt auf Förderbänder. Der erste Schritt der Verarbeitung ist die Zerkleinerung des Zukkerrohrs, die durch zahlreiche Reihen glänzender Messer vorgenommen wird. Die Fasern werden dann einem Druck von fünfhundert Tonnen ausgesetzt. Auf diese Weise werden die wichtigen Säfte entzogen. Trocknungsvorrichtungen verwandeln den gereinigten Zuckerrohrsaft in einen Sirup, der vorsichtig erhitzt wird, bis er eine Mischung aus Zuckermelasse und -kristallen darstellt. Die Trennung der beiden Substanzen wird mit Hilfe von Hochgeschwindigkeitszentrifugen erreicht.
Gewöhnlich ist eine halbe Tonne Zuckerrohr nötig, um hundert Pfund Rohzucker zu erhalten. Sowohl Gewicht als auch Reinheit können jedoch erheblich beeinflußt werden, wenn fremde Substanzen hinzugefügt werden, wie zum Beispiel menschliche Körperteile.
Darrell Grant hatte eine zu starke Medikation gewählt und sich zu gut versteckt. Gegen Tagesanbruch, als der Anhänger, in dem er sich zur Ruhe gelegt hatte, in Richtung Zuckerfabrik losrollte, befand er sich in einem tiefen Junkieschlaf, erwachte nicht, zumindest nicht, um den Prozeß noch aufzuhalten. Weder Hilferufe noch Schreie noch Schmerzenslaute unterbrachen den Fabrikationsablauf. Es war das Neunereisen an Darrell Grants Arm, das die Messerklingen stoppte und die Jungs von der Qualitätskontrolle zur Zerkleinerungsanlage rief.
Die Fabrik stellte den Betrieb für drei Stunden ein, während die örtliche Polizei die Überreste aufsammelte und in einen Sack füllte. Der Sheriff von Palm Beach gab wenig später eine Pressemeldung heraus, in der er verlauten ließ, daß ein Wanderer während eines Unfalls in der Fabrik auf den Rojo-Farmen ums Leben gekommen sei. Die Behörden baten die Öffentlichkeit um Hilfe bei der Identifikation des Opfers, das als weiß, männlich, Anfang Dreißig und blond beschrieben wurde. Eine Phantomzeichnung wurde nicht beigefügt, da der Zerkleinerer herzlich wenig übriggelassen hatte, womit der Polizeizeichner hätte arbeiten können. In der Pressemitteilung hieß es weiter, das Opfer habe Jeans und Stiefel getragen und sei vermutlich begeisterter Golfer gewesen.
In der Fabrik wurde eine Hausmitteilung formuliert, die den Angestellten versicherte, der Unglücksfall mindere die hervorragende Qualität des Firmenprodukts in keinster Weise. Insgeheim fragten sich die Arbeiter jedoch voller Sorge, wieviel von dem toten Wanderarbeiter tatsächlich in die Tagesproduktion gelangt war.
Unappetitliche Gerüchte wucherten ungehindert, und viele Arbeiter verzichteten darauf, ihren Kaffee und ihren Tee zu süßen. Wie alle Zuckerhersteller hatten auch die Rojo-Farmen eine Vorschrift gegen die Verwendung künstlicher Süßstoffe durch Angestellte auf dem Firmengelände erlassen. Wenige Tage nach Darrell Grants gräßlichem Tod begann jedoch eine geheim operierende Organisation von Angestellten Päckchen mit Sweet-’n-Low-Süßstoff in die Cafeterias der Rojo Company zu schmuggeln. Eine interne Untersuchung schaffte es nicht, die Schuldigen zu überführen oder den Süßstoffstrom zu stoppen. Um das unangenehme Aufsehen eines Arbeitskampfs zu vermeiden, ließ das Fabrikmanagement die Angelegenheit auf sich beruhen. Die Rojos selbst erfuhren von alledem nichts.
32. KAPITEL
Shad schlug mit der Faust heftig auf das Armaturenbrett.
»Jetzt reicht’s!« sagte Al García. »Rauchen Sie’ne Zigarre!«
»Wir sind vielleicht ein paar Helden!«
García fuhr mit über neunzig Sachen über die Interstate. Shads glatte Schädeldecke reflektierte auf seltsame Art das bläuliche Funkeln der Armaturenbrettbeleuchtung. Der Fahrtwind pfiff durch das zertrümmerte Fenster. Shad spuckte wütend in die Nacht.
»Immer mit der Ruhe«, sagte García. »Hey, ich habe schon vor langer Zeit aufgehört, den Helden zu spielen. Dinge in Gang zu setzen ist manchmal das beste, was man tun kann.« Der Detective paffte ausgiebig an einer frischen Zigarre. »Deshalb habe ich meine Visitenkarte in das Bankschließfach des toten Anwalts gelegt. Ich hatte mir ausgerechnet, daß Mr. Moldowsky dadurch zu einigen dummen Reaktionen animiert würde.«
»Das hier ist kein Spiel«, knurrte
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