Striptease: Roman (German Edition)
Löschungen.
In der darauffolgenden Schlacht um das Sorgerecht für Angela kämpfte Erin, wie sie feststellen mußte, nicht nur gegen Darrell Grant, den rechtschaffenen Musterbürger, sondern auch gegen die Detectives, die in ihrem Wahn glaubten, daß er eifrig für sie arbeitete. Wann immer ein neuer Gerichtstermin anberaumt wurde, sorgten die Detectives dafür, daß Darrell in irgendeiner Undercovermission auswärts tätig war. Bescheinigungen, in denen auf die Dringlichkeit des jeweiligen Einsatzes verwiesen wurde, wurden bündelweise vorgelegt. Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn Darrell sich tatsächlich vor Gericht blicken ließ, trat kein Mensch vor, der sich zu seinen verbrecherischen Machenschaften geäußert hätte. Das Aktenarchiv war genauso gründlich gesäubert worden wie der Speicher des Computers. Was die Einschätzung von Darrell Grants krimineller Persönlichkeit betraf, konnte der Richter sich so nur an Erins Aussage halten, die er kühl verwarf.
Obwohl pleite und völlig entmutigt, weigerte sich Erin, den Kampf aufzugeben. Sie war entschlossen, Darrell Grant mit Hilfe des Rechtssystems so lange und so gründlich zu verfolgen wie nötig. Angela war nicht in Gefahr, weil Darrell sie mißhandelte, sondern weil er so unvorsichtig war. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihm irgend etwas Schlimmes zustieß, und dann würde der Alptraum erst richtig anfangen. Dann käme Erins Tochter in die Obhut des wunderschönen Staates Florida, der nicht gerade für seine Aufmerksamkeit gegenüber Kindern bekannt war.
Angie durfte niemals ein Pflegekind werden. Um das Mädchen zu retten, würde Erin alles tun, selbst wenn sie Rita Grants Post von der Küchenanrichte stehlen mußte.
Erin legte eine Tonbandkassette von Jimmy Buffett auf, machte es sich auf ihrem Bett bequem und ging Ritas Briefe durch. Sie trug eine Jeans mit abgeschnittenen Beinen, ein weites Hawaiihemd und eine blaugetönte Sonnenbrille. Das Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden und unter eine pinkfarbene Baseballmütze gestopft. Ihre nackten Füße wippten rhythmisch zur Musik.
Der größte Teil der gestohlenen Post war für Erins private Ermittlungen wertlos – die Stromrechnung, eine Mahnung von Penthouse für den noch ausstehenden Abonnementbeitrag, einen vor Heimweh triefenden Brief eines weiteren ungeratenen Familienmitglieds (Darrells jüngster Bruder, der in einer Irrenanstalt in Chattahoochee den Irren simulierte) und eine Bestätigung der National Rifle Association, für die Rita und Alberto sich beworben hatten.
Nur ein Stück war für Erin von Interesse: die Telefonrechnung. Eine FBI-Ausbildung war nicht erforderlich, um die Liste der Ferngespräche zu überfliegen und Darrell Grants Aufenthaltsort herauszufinden. Er hatte keinen sehr weiten Weg zurückgelegt: Erin zählte sieben R-Gespräche von einer Nummer in Deerfield Beach. Irgendwie einleuchtend. Deerfield Beach wurde überwiegend von Pensionären und Rentnern bewohnt. Wo Rentner sind, findet man auch Rollstühle.
Erin drehte die Stereoanlage leise und griff zum Telefonhörer. Ihre Hand zitterte, als sie die Nummer wählte – nicht vor Nervosität, sondern vor Wut. Es klingelte sechsmal, ehe er abnahm. Erin benutzte ihrer Großmutterstimme. Sie sagte, sie rufe im Auftrag der St. Vitus Society an und bitte um Spenden für die Obdachlosen.
»Was für Spenden?« wollte Darrell Grant wissen.
»Alles, was Sie entbehren können. Lebensmittel, Kleidung, medizinische Hilfsmittel.«
»Auch Rollstühle?« fragte Darrell Grant.
Erin lauschte auf Kinderlaute im Hintergrund. Sie hörte nur den Fernseher, wo gerade eine Talk-Show lief.
Darrell Grant meldete sich wieder. »Hallo? Meinen Sie auch Rollstühle?«
»Eigentlich haben wir sehr viele Rollstühle und Rollbetten. Aber für jedes andere medizinische Hilfsmittel wären wir dankbar.«
»Das ist aber schade«, sagte Darrell Grant. »Ich habe nämlich gerade ein paar sehr gut erhaltene Rollstühle.«
Erin widerstand dem Drang, irgend etwas Gemeines ins Telefon zu brüllen. Immer noch mit ihrer Großmutterstimme sagte sie: »Nun, wir haben gerade erst eine Lieferung nagelneuer Stühle erhalten, die uns von der regionalen Krankenhausverwaltung gestiftet wurden. Aber haben Sie trotzdem vielen Dank.«
»Wirklich? Welcher Typ?«
»Das kann ich wirklich nicht sagen. Kann ich Sie für ein paar Konserven und vielleicht auch für Bettzeug eintragen?«
»Klar«, sagte Darrell, »Noch besser, ich schaff das Zeug selbst
Weitere Kostenlose Bücher