Striptease: Roman (German Edition)
auf und legte die Hände an ihre Wangen. »Du bist ganz heiß, Liebes.«
»Alberto, ich habe kein Fieber. Nur Kopfschmerzen.«
»Ich hol dir ein paar Bayers. Bin gleich wieder da.« Er verschwand im Badezimmer und durchwühlte den Wandschrank. »Ich habe Advil!« rief er. »Tylenol. Anacin. Exedrin. Willst du Tabletten oder diese neuartigen Gelkapseln?«
Alberto kehrte mit einem Armvoll Pillen, Pulvern und Kapseln in den Wohnraum zurück. Dort hatte sich Rita auf der Kunstledercouch ausgestreckt und zog gierig an einer Zigarette. Erin war verschwunden.
»Sieh an, sieh an.« Ritas Stimme war messerscharf. »Dr. med. Marcus Welby persönlich!«
Erin war sich darüber im klaren, daß der Diebstahl von amerikanischer Post ein Offizialdelikt war und mit Geldstrafen, Gefängnis oder gar beidem geahndet wurde. Außerdem wußte sie, daß im südlichen Teil Floridas der Bundesstaatsanwalt genau null Stunden darauf verwandte, Postdiebe zu suchen und zu überführen. Die Vertreter der Regierung wurden nämlich durch die Verfolgung von Drogenhändlern, Waffenschmugglern, aus dem Amt vertriebenen ausländischen Diktatoren, Spar- und Darlehenskassenmanagern, betrügerischen Politikern und korrupten Polizisten aller Ränge in Trab gehalten.
Die Arbeitsweise des staatlichen Rechtssystems war Erin gut bekannt, denn in ihrem vorherigen Job, ehe sie Nackttänzerin wurde, hatte sie für das Federal Bureau of Investigation Geheimberichte getippt und abgelegt. Erin war effizient, exakt und scharfsinnig. In einiger Hinsicht war sie mehr auf Draht als der FBI-Agent, dem sie unterstand. Obgleich sein Ablagesystem makellos war, erwies sich sein Instinkt im aktiven Einsatz als unzuverlässig. Erin mochte ihn und versuchte, ihm zu helfen, aber der Agent war jung, unerfahren und hoffnungslos hinterwäldlerisch in seinen Methoden. Südflorida packte ihn ein und wieder aus.
Als Erin aus ihrem Job entlassen wurde, war der Agent (er hieß Cleary) betroffener als sie selbst. Er versuchte alles innerhalb der Grenzen der strengen Hierarchie der Institution Mögliche, um die Entscheidung zu revidieren, aber es hatte keinen Sinn. Erin war als Sicherheitsrisiko eingestuft worden, nachdem ihr Ehemann der vierten Gesetzesübertretung seines Lebens angeklagt worden war: nämlich des Diebstahls von elf Rollstühlen aus dem Sunshine Groves Retirement Village. Es war dabei gleichgültig, daß Erin zu dieser Zeit bereits von Darrell Grant getrennt lebte – er hatte sie aus dem Gefängnis angerufen, und das reichte schon aus. An ihrem Arbeitsplatz hatte er sie angerufen, dieser Idiot! Er hatte ihr gesagt, sie solle schnellstens den Camaro wegschaffen und auf keinen Fall die Cops in den Kofferraum schauen lassen. Darrell Grant hatte diese Anweisungen lauthals hinausgebrüllt und dabei vergessen, daß die meisten Telefongespräche aus dem Broward County Jail (und alle Telefongespräche ins FBI-Gebäude) automatisch auf Tonband mitgeschnitten wurden.
Erin selbst wurde niemals der Komplizenschaft verdächtigt, denn auf beiden Tonbandaufnahmen war ihre Antwort an Darrell Grant deutlich zu verstehen:
»Du Arschloch! Wo ist meine Tochter?«
Obgleich sie den Job ungern aufgab, war Erin nicht verbittert, sondern hatte Verständnis für das Problem. Niemand sollte mit einem aufstrebenden Kriminellen verheiratet sein, ganz besonders nicht Angestellte des FBI. Agent Cleary war am Boden zerstört und stellte ihr auf offiziellem FBI-Briefpapier ein glänzendes Zeugnis aus, was für seine Verhältnisse eine geradezu tollkühne Geste war. Es stellte sich heraus, daß dieses Zeugnis nicht nötig war, als Erin sich um eine Anstellung im Eager Beaver bewarb. »Zeigen Sie mir Ihre Möpse«, hatte Mr. Orly sie aufgefordert. »Prima. Wann können Sie anfangen?« Erin brachte es nicht übers Herz, Agent Cleary von ihrer neuen Tätigkeit zu erzählen.
Ironischerweise wurde die Anklage gegen Darrell Grant fallengelassen, da er sich bereit erklärte, als geheimer Informant für das Sheriff’s Department tätig zu werden. Seine erste Aufgabe bestand darin, drei seiner schmierigen Komplizen zu verpfeifen. Dafür erhielt er dank der Löschtaste des Polizeicomputers eine astreine neue Vergangenheit. Die Vernichtung von Darrells bisherigem Vorstrafenregister war eindeutig illegal, geschah aber nicht zum erstenmal. Auf entsprechende Fragen konnten Darrells Beschützer immer behaupten, es sei ein Unglücksfall gewesen. Polizeicomputer waren berüchtigt für unbeabsichtigte
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