Striptease: Roman (German Edition)
träume schon mein ganzes Leben lang davon, für diese Halbirren zu arbeiten.«
Mr. Orly litt unter der paranoiden Vorstellung, seine besten Stripperinnen an die Flesh Farm zu verlieren, die bei Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags umfangreiche Vergünstigungen versprach. Die Eigentümer hatten vor kurzem den Körperkontakt-Tanzabend eingeführt, um mit den Ölringkämpfen des Eager Beaver konkurrieren zu können. Das Körperkontakttanzen war weniger ein Tanzen als vielmehr ein heftiges Reiben an der Vorderseite vollständig bekleideter Gäste. Es war eindeutig erotischer als ein Ölringkampf und nicht annähernd so glitschig. Orly spürte den Konkurrenzdruck recht deutlich.
»Sei ehrlich«, sagte er zu Erin.
»Ich hab Ihnen die Wahrheit gesagt. Ich bin mit meinem Ex-Ehemann verabredet.« Sie griff nach der Handtasche, um damit anzudeuten, daß das Gespräch für sie beendet war. »Wenn Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie Shad. Er begleitet mich.«
»Mein Shad?« Orlys Augenbrauen rutschten besorgt hoch.
»Er tut mir einen Gefallen«, erklärte Erin. »Es könnte Ärger geben.«
»Dann sei bloß vorsichtig.«
»Das bin ich.«
»Gute Rausschmeißer sind schwer zu finden«, sagte Orly. »Weitaus schwerer als Tänzerinnen, ob du es glaubst oder nicht.«
Erin hatte Darrell Grant im General Hospital in Broward kennengelernt, wohin ihre Mutter sich wegen einer kosmetischen Operation begeben hatte. Sie hatte einem Schönheitschirurgen tausendfünfhundert Dollar dafür bezahlt, daß er ihren leicht nach außen ragenden Bauchnabel in einen versenkten verwandelte. Erin hatte keine Ahnung, daß so etwas überhaupt ausgeführt werden konnte, aber ihre Mutter hatte ihr versichert, alle berühmten Fotomodelle hätten sich dieser Prozedur unterzogen.
Erin stand am Bett ihrer Mutter und bewunderte die Arbeit des Operateurs, als Darrell Grant mit frischer Bettwäsche und einer sauberen Bettpfanne das Zimmer betrat. Er arbeitete als Pfleger im Krankenhaus, und dort hatte er, wie Erin später erfuhr, seine Vorliebe für Narkotika und seine Fähigkeit für den Diebstahl von Rollstühlen erworben. Dem äußeren Anschein nach war Darrell jedoch alles andere als ein Krimineller. Erin war so naiv gewesen, zu glauben, daß alle Gauner schlechte Zähne, fettige Haare und Gefängnistätowierungen hatten. Sie ging davon aus, daß adrette, gutaussehende Männer die gleichen natürlichen Vorzüge hatten wie adrette, gutaussehende Frauen: die Welt behandelte einen besser, und daher gab es keinen Grund für einen verdorbenen Charakter.
Und Darrell Grant war ungewöhnlich gutaussehend, hatte ein schmales Gesicht und leuchtende Augen. Er schleppte sie in die Krankenhauscafeteria ab und verzauberte sie mit einem hastig zusammengeschusterten Lebenslauf. Mittelpunkt dieser Saga war ein echter Bronze Star, den Darrell in der Brusttasche seines Krankenhauskittels bei sich trug. Er erzählte Erin, er habe ihn sich für das Ausschalten eines kubanischen Scharfschützen während der Invasion von Grenada verdient. Erin sah keinen Grund, Darrells Geschichte in Frage zu stellen, wußte sie doch, daß das Pentagon etwa hunderttausend Medaillen und Orden als Belohnung dafür verteilt hatte, daß das winzige Inselchen wieder zu einem sicheren Ort für Holiday-Inn-Hotels gemacht worden war. Erin sollte erst später erfahren, daß Darrell den Bronze Star zusammen mit zwei Kästen Michelob-Bier bei einem Einbruch in ein Vereinslokal der American Legion hatte mitgehen lassen.
Ein halbes Jahr lang trafen sie sich regelmäßig zum Schrekken von Erins Mutter. Diese hatte ihrer Tochter eine lange Reihe von Ärzten, Anwälten und Buchhaltern zugeführt, aber für Erin waren sie alle zu seriös und von sich selbst eingenommen gewesen. Einige waren sogar alt genug, um ihre Väter zu sein. Darrell Grant hingegen war impulsiv, steckte voller Tricks und brachte sie zum Lachen. Damals erschien ihr das sehr wichtig. Erins Entschluß, ihn zu heiraten, fiel recht plötzlich und hatte außerdem die willkommene Wirkung, sie aus den Klauen ihrer Mutter zu befreien.
Die soziopathische Seite von Darrell Grants Charakter blieb etwa achtzehn Monate lang verborgen, dann jedoch bemühte er sich nicht einmal mehr um den Anschein, einer ehrlichen Arbeit nachzugehen, sondern wurde zum Berufsbetrüger. Um die seltsamen Dienststunden und das schwankende Einkommen zu begründen, machte er Erin weis, er handle mit medizinischem Hilfsgerät. Darrells jungenhafte Lustigkeit und
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