Striptease: Roman (German Edition)
Wärme verflüchtigten sich auf dramatische Weise unter dem kälteerzeugenden Einfluß von Amphetaminen und Methaqualonen. Entweder erschien er als wilder Derwisch oder als Zombie, je nachdem, welchen chemischen Zyklus er gerade durchlief. Gerade erst schwanger geworden, wollte Erin die eheliche Gemeinschaft nicht einfach verlassen, ohne Darrell Grant eine Chance auf Besserung einzuräumen. Der Gedanke an eine Scheidung war mindestens ebenso abschreckend wie die Aussicht auf das schrille »Hab ich es dir nicht gleich gesagt?« ihrer Mutter.
Als er erfuhr, daß Erin ein Kind erwartete, schwor Darrell, seine Lebensweise zu ändern. Er hörte mit dem Tablettenkonsum auf, leerte die Garage von sämtlichem Diebesgut und nahm einen Job als Rostschutzmittelverkäufer bei einem Chrysler-Vertragshändler an. Für etwa einen Monat war er ein völlig neuer Mensch. Aber eines Donnerstags kam Erin nach der Arbeit nach Hause und ertappte Darrell im Wohnzimmer dabei, wie er die Seriennummer aus dem Gestell eines Kinderrollstuhls herausfeilte. Zur Rede gestellt, bekam er einen Wutanfall und schlug Erin zweimal ins Gesicht. Der unterhaltsame Teil endete abrupt, als Erin ihm mit der Faust gegen den Kehlkopf schlug, ihn zu Boden stieß und ihm einen Besenstiel in die Hoden knallte, Es war das erste Mal, daß Darrell den Zorn einer Frau kennenlernte, und es machte einen nachhaltigen Eindruck auf ihn. Von da an erhob er nie wieder die Hand gegen sie. Statt dessen machte er seinen Empfindungen Luft, indem er Dinge vernichtete, die ihr etwas bedeuteten – Kunstwerke, Möbel, Fotoalben, ihre Lieblingskleidung. Bis Angela zur Welt kam, war die Ehe unwiderruflich zerstört.
Erin hielt sich nicht lange damit auf zu trauern. Sie war ausgetrickst worden und hatte ihre Lektion gelernt. Nun ging es nur noch darum, ihre Tochter zurückzuholen.
Während sie im Wagen mit Shad wartete, erläuterte sie ihren Plan.
»Demnach ist es eine Falle«, stellte er fest.
»Genau!«
»Er bringt gar keine Rollstühle für die Armen mit.«
»Nein«, sagte Erin, »er versucht, welche zu stehlen.«
Shad spuckte aus dem Fenster. »Und mit diesem Stück Scheiße warst du verheiratet?«
»Jeder macht mal einen Fehler.«
»Findest du es nicht schlimm«, fragte Shad, »wenn aus Liebe Haß wird und du dich wie vor einer Klapperschlange in acht nehmen mußt? Aber so was passiert, bei Gott. Jeden Tag kann man es erleben.«
Erin zeigte ihm die Fotos von den zerfetzten Puppen in Angelas Kinderzimmer. »Allmächtiger Gott«, sagte Shad.
»Ich mache mir nur wegen meiner Tochter Sorgen. Das ist alles, was mich interessiert.«
Für mehrere Minuten sagte Shad gar nichts. Dann fragte er Erin, ob sie mit ihrem Anwalt zufrieden sei. »Bei meinem bin ich mir nicht so sicher«, fügte er hinzu. »Ihm muß man Feuer unterm Hintern machen.«
Erin hob die Schultern. »Mein Anwalt ist ganz in Ordnung. Es ist das System, das einen frustrieren kann.«
»Erzähl doch mal.« Shad war froh, mit Erin über diese Dinge reden zu können. Er hatte das Gefühl, als seien sie Kämpfer auf dem gleichen Schlachtfeld. »Wenn es so etwas wie wahre Gerechtigkeit gibt«, sagte er, »dann bekommst du dein kleines Mädchen zurück, und ich werde dank meiner toten Kakerlake steinreich.«
»Das wäre schön«, pflichtete Erin ihm leise bei.
Der Wagen stand in der dunklen Ecke eines Parkplatzes, der zu einem langgestreckten Einkaufszentrum in Oakland Park gehörte. Die Adresse, die Erin Darrell Grant genannt hatte, war die eines pleite gegangenen Videoladens, der sich am anderen Ende der Plaza befand. Ein paar Filmplakate hingen noch im Schaufenster. Vom Wagen aus konnte Erin einen überlebensgroßen Arnold Schwarzenegger mit Sonnenbrille erkennen.
»Woher weißt du, daß er heute abend herkommt?« fragte Shad.
»Weil ich ihm erzählt habe, daß jeden Mittwochmorgen Rollstühle geliefert werden. Er wird versuchen, an das Zeug ranzukommen.«
»Irgendein spezielles Modell?«
»Er bevorzugt Everest-and-Jennings«, sagte Erin. »Rolls-and-Theradynes sind auch ganz gut.«
Shad erwärmte sich für das Thema. Bisher war für ihn ein Rollstuhl so gut wie der andere gewesen. »Rolls wie ein Rolls-Royce?«
Erin schüttelte den Kopf und sagte, das sei eine völlig andere Firma. Shad wollte von ihr wissen, weshalb ihr Ex-Mann nicht Automobile stehle wie jeder andere auch.
»Weil er noch nicht mal einen verdammten Toaster kurzschließen kann«, sagte Erin. »Autos sind für Darrell Grant viel zu
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