Striptease: Roman (German Edition)
einfällt?« Erin war nicht in der Stimmung für dummes Geschwätz. Es war schon einige Monate her, seit sie das letzte Mal von einem Gast begrapscht worden war – Zuckerschnütchen hatte er sie genannt. Er war aus Syracuse gekommen und hatte die behaartesten Arme, die sie jemals außerhalb eines Zoos gesehen hatte.
»Bitte lassen Sie mich los«, sagte sie zu St. Paul.
»Tanz für mich.«
»Das habe ich getan.«
»Nicht hier. Ich habe ein Zimmer am Strand.« Sein Griff war trocken und fest. »Ein Zimmer mit Sauna.«
»Nein, vielen Dank.«
»Für zweitausend Dollar?«
»Das bin ich nicht wert, glauben Sie mir.« Erin bohrte die Fingernägel in die weiche Stelle am Handgelenk des Mannes. Er brüllte wütend auf und löste den Griff. Während sie von dem Tisch zurückwich, schoß der Fuß des Mannes vor und trat gegen ihren Stuhl. Erin kippte nach hinten.
Das Gelächter des Gastes verstummte mit einem kehligen Quieken. Als Erin sich erhob, sah sie das blutige Gesicht des Mannes eingeklemmt in Shads Armbeuge. Shad schlug auf seine übliche ruhige und methodische Art und Weise auf ihn ein, aber in seiner Miene erkannte Erin echte Wut, was selten war.
»Das reicht jetzt«, sagte sie zu ihm.
Shad ließ den Mann mit dem Gesicht nach unten einfach fallen. Der Gast wälzte sich auf den Rücken und stotterte etwas von einer Anzeige.
»Tatsächlich?« fragte Shad. »Wollen Sie Ihre Frau anrufen? Ich hole Ihnen sofort das Telefon.« Er trat ihn unsanft mit dem Stiefel. »Nun?«
Zehn Minuten später saß der Mann aus St. Paul in seinem gemieteten schwarzen Thunderbird und verstellte den Rückspiegel, um den Zustand seiner Nase und seiner Lippen zu überprüfen. Letztere waren zu der Größe von Cocktailwürstchen angeschwollen.
Shad stützte sich auf die Wagentür. »Kommen Sie nie wieder her«, empfahl er dem Mann.
»Ich hatte nichts Schlimmes vor.«
»Sieht sie wie eine Nutte aus?« Shads kahler Schädel füllte die Fensteröffnung aus. »Antworte, Freundchen. Sieht die Lady wie eine Hure aus?«
Der Mann aus St. Paul zitterte. »Es tut mir wirklich leid.«
Shad rief Erin an den Wagen und befahl dem Mann, sich noch einmal zu entschuldigen, was er auch voller Inbrunst tat.
Erin nickte gnädig. »Sie sollten sich etwas mehr Respekt angewöhnen.«
»Es tut mir leid. Das schwöre ich bei Gott.«
Shad sagte: »Was meinen Sie denn, was das für ein Laden ist? Sieht er vielleicht aus wie ein Freudenhaus voller Huren?« Der Mann schüttelte krampfhaft den Kopf.
»Das ist ein richtiger Klassebetrieb«, fiel Erin mit ein. »Bestimmt haben Sie längst die Servietten entdeckt.«
Der Mann aus St. Paul startete zügig in die Floridanacht. Erin legte einen Arm um Shads Taille. »Du bist heute aber in einer lausigen Stimmung«, stellte sie fest. »Was ist denn los?«
»Ich mache mir Sorgen wegen dir, mehr nicht.«
»Weshalb?«
»Es gibt zu viele schlechte Menschen auf der Welt, deshalb.«
Sie lachte. »Aber du bist doch da, um mich zu beschützen.«
»Richtig«, sagte Shad. Gleich morgen früh würde er zu Mordecai gehen und die ganze Sache abblasen. Das Risiko war zu verdammt hoch geworden.
Sirenengeheul näherte sich. Schon bald raste ein Streifenwagen am Tickled Pink vorbei. Dann ein Krankenwagen, zwei weitere Streifenwagen, dann ein Rettungswagen. Shad und Erin gingen zum Bordstein, um nachzusehen, ob ein Verkehrsunfall stattgefunden hatte. Nach einigen Sekunden gesellte Orly sich zu ihnen. Er sprudelte über vor Heiterkeit.
»Es gibt doch noch einen Gott!« verkündete er.
»Was ist denn los?« fragte Erin.
»Hört nur zu.«
Wie auf ein Stichwort hin begannen die Sirenen zu verstummen, eine nach der anderen. Die Blaulichter hatten sich einen halben Block weiter gesammelt, auf der gegenüberliegenden Seite der Schnellstraße.
»Da muß aber einiger Schaden entstanden sein«, sagte Shad.
Orly kicherte. »Da ist kein Unfall. Es ist die Flesh Farm!«
»Was haben Sie getan?« fragte Shad. »Etwa irgendein Ding gedreht?«
»Das war ich nicht, sondern Marvela. Sie hat angerufen und sich die schönen Augen ausgeheult.« Orly war außer sich vor Freude. »Sie möchte ihren alten Job zurückhaben. Ha! Ha!«
»Dann ist wohl etwas Schlimmes passiert«, sagte Shad.
Orly grinste. »Ja, etwas sehr Schlimmes. Ein Typ ist an ihrem Tisch gestorben.«
Erin dachte: Die arme Marvela.
»Und zwar nicht nur irgendein Typ«, sagte Orly. »Sondern ein gottverdammter Richter.«
»Welcher Richter?« hörte Erin sich
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