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Striptease: Roman (German Edition)

Striptease: Roman (German Edition)

Titel: Striptease: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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fragen.
    »Wen interessiert’s? Ein toter Richter ist ein toter Richter. Diese Scheiß-Lings, hoffentlich pinkeln sie jetzt Rasierklingen …«
    Erin machte sich auf den Weg die Straße hinunter zu den blinkenden blauen und roten Warnlichtern. Orly rief ihren Namen, aber sie ging einfach weiter. Der Straßenverkehr verlangsamte sich, und einige Autofahrer hupten herausfordernd. Erin stolzierte dahin in ihren hohen Stöckelschuhen, dem paillettenbesetzten Tanga und dem schwarzen Spitzen-BH. Ihr Ziel waren die blinkenden Lichter. Sie ging schneller und sagte sich: Vielleicht, oh, vielleicht hat Mr. Orly recht. Vielleicht gibt es doch noch einen Gott.
     
    Für den Richter war Marvela ein schöner und betörender Engel. Sie war die einzige in Orlys Club, die richtig flirten konnte. Die anderen Tänzerinnen waren distanziert, gleichgültig, sogar kühl. Einige weigerten sich glattweg, für ihn zu tanzen. Der Richter hatte den Verdacht, daß Erin die anderen gegen ihn aufgehetzt hatte – sie verachteten ihn wahrscheinlich dafür, daß er ihre Freundin von ihrem einzigen Kind getrennt hatte. Wie unfair! Die Rechtfertigung dafür befand sich in der Bibel, ganz eindeutig, aber keine der Tänzerinnen wollte seine Erklärung hören, ganz gleich, wieviel Geld er ihnen als Trinkgeld gab. Jedermann hatte ein Talent, sagte der Richter. Jedermann hatte einen bestimmten Zweck auf dieser Welt zu erfüllen. Die Mutterschaft war der eine, sagte er, nackt zu tanzen ein anderer.
    Da sie neu war, wußte Marvela nicht, daß der Richter inoffiziell geächtet wurde. Sie spendierte ihm ein paar heiße Tischtänze, und nach wenigen Tagen war er von ihr geradezu besessen. Als sie in Orlys Club kündigte, folgte er ihr zur Flesh Farm.
    Die Entfernung zwischen den Clubs betrug eine halbe Meile, aber die Fahrt dorthin schien ewig zu dauern. Der Richter fand einen Parkplatz weit genug von der Straßenbeleuchtung entfernt, um zu vermeiden, daß ein vorbeifahrender Verkehrsteilnehmer ihn erkannte. Diskretion war überaus wichtig, bis er auf seinem Posten als Bundesrichter bestätigt war. Danach konnte er sich frei und ungehindert zerstreuen. Seines Wissens war bisher noch niemand seines Postens enthoben worden, weil er eine Tittenbar aufgesucht hatte.
    Während der Richter den Motor ausschaltete, pochte sein Herz heftig gegen die Rippen seiner Hühnerbrust. Er war leicht benommen, schrieb dieses Gefühl jedoch seiner Erregung zu. Ehe er das erotische Etablissement der Lings betrat, sprach er ein stummes Gebet und dankte Gott im voraus für die Gnade, die ihm schon bald zuteil werden würde. Hand an die wunderschöne Marvela zu legen, zu spüren, wie diese seidigen Lenden sich gegen ihn preßten und an ihm rieben – das alles wäre ein wahrgewordener Traum!
    Leider war dem nicht so. Die Erwartung tötete ihn wenige Sekunden, ehe der Kontakt stattfand. Er starb mit heraushängender Zunge an seinem Tisch, die Bibel auf den Knien. Die eine Hand krallte sich in seinen Schoß wie die Schere einer Languste. Dort blieb sie während umfangreicher Rettungsmaßnahmen, darunter auch eine ausgedehnte Herzmassage.
    Der Tod war in Form einer schweren Gehirnblutung eingetreten: Ein umfangreicher Teil des Richterhirns war mehr oder weniger explodiert, als die sich hin und her wiegende Marvela ihr Bustier auf seinem Kopf drapiert hatte. Ein reaktionsschneller Rausschmeißer hatte das Kleidungsstück entfernt, ehe die Sanitäter erschienen.
    Die Sanitäter waren in Windeseile da. Und innerhalb von Sekunden nach Erscheinen des ersten Polizisten leerte sich die Flesh Farm, als habe ein Giftgasangriff stattgefunden. Die Barkeeper und die Tänzerinnen flüchteten als letzte.
    Als Erin dort eintraf, sah sie einen alten Mann auf dem Fußboden liegen, umringt von jungen Sanitätern in blauen Overalls. Einer von ihnen kniete neben der leblosen Gestalt und bearbeitete die Brust des Mannes im perfekten Rhythmus von Janet Jacksons Song »Rhythm Nation«, der aus den Clublautsprechern dröhnte. Die Lings hielten sich von der Szene fern, jammerten über die schlechte Publicity, den Einnahmeverlust und über einen möglichen Besuch staatlicher Ausschankkontrolleure.
    Erin ging so nahe heran wie möglich. Schließlich endeten die Lebensrettungsversuche sowie die Musik; der Mann auf dem Fußboden war eindeutig verstorben. Erin beugte sich vor, um sein Gesicht zu betrachten. Er sah aus wie »ihr« Richter, aber sie war sich nicht ganz sicher. »Können Sie ihm mal die

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