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Studio 6

Studio 6

Titel: Studio 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Fehlern Konsequenzen gezogen hat und zurückgetreten ist. Was haben sie denn noch geschrieben, solange ich fort war?«
    »Im
Rapport
sagen sie, dass die Wahlbeteiligung zurückgeht. Viele wollen überhaupt nicht wählen, man betrachtet die Politiker mit Verachtung. Die Sozis werden vielleicht nicht durchkommen.«
    Annika nickte, das war logisch. Ein Minister unter Mordverdacht mitten im Wahlkampf musste ein Albtraum sein.
    Patricia wischte sich die Finger an einem Stück Haushaltspapier ab und begann, die Sachen auf dem Tisch zusammenzuräumen.
    »Hast du letztlich mal wieder mit der Polizei geredet?«, fragte Annika.
    Patricia erstarrte.
    »Nein«, erwiderte sie.
    »Wissen die, dass du hier wohnst?«
    Patricia stand auf und ging zur Spüle.
    »Ich glaube, nicht«, meinte sie.
    Annika erhob sich ebenfalls.
    »Das solltest du ihnen vielleicht sagen. Womöglich wollen sie dich noch etwas fragen.«
    »Schreibe mir nicht vor, was ich zu tun habe«, erwiderte Patricia kurz.
    Sie drehte Annika den Rücken zu und ließ Wasser in einen Topf laufen, um es zum Spülen aufzuwärmen.
    Annika stand noch eine Weile am Tisch und schaute auf den geraden Rücken der anderen. Dann sei eben sauer, dachte sie und ging in ihr Zimmer.
    Der Regen pladderte auf das Fensterblech. Dass es aber auch nie aufhört, dachte Annika und ließ sich auf ihr Bett fallen. Sie legte sich auf die Decke, ohne Licht anzumachen. Das Zimmer war dunkel und ohne Schatten. Sie starrte auf die abgeschabte Tapete, leberwurstgrau, leicht vergilbt.
    Das alles muss zusammenhängen, dachte sie. Kurz vor dem 27. Juli ist etwas geschehen, das den Außenhandelsminister dazu veranlasst hat, von Terminal zwei in Arlanda abzureisen, und zwar so ängstlich und gestresst, dass er nicht bemerkte, wie seine Verwandten nach ihm riefen. Die Sozis müssen in Panik gewesen sein.
    Allerdings kann es auch eine Privatangelegenheit gewesen sein, wurde ihr plötzlich klar. Vielleicht hatten weder die Regierung noch die Partei ihn auf den Weg geschickt, vielleicht hatte er irgendwo eine Geliebte?
    Konnte es so einfach sein?
    Dann erinnerte sie sich an ihre Großmutter.
    Harpsund fiel ihr ein. Wenn Christer Lundgren sich in privaten Schwierigkeiten befunden hätte, dann hätte ihm der Ministerpräsident niemals seine Sommerresidenz zur Verfügung gestellt. Es musste eine politische Angelegenheit gewesen sein.
    Sie streckte sich auf dem Rücken aus, legte die Hände unter den Hinterkopf, holte tief Luft und schloss die Augen. Draußen in der Küche arbeitete Patricia, sie hörte das Porzellan klappern.
    Struktur, dachte sie. Sortieren, was passiert ist. Fang am Anfang an. Nimm alles Wunschdenken heraus, denke logisch. Wäge ab. Was ist eigentlich passiert?
    Ein Minister tritt zurück, nachdem er eines Mordes verdächtigt worden ist, was keine Kleinigkeit ist, denn schließlich handelt es sich um einen Sexualmord auf einem Friedhof. Nehmen wir einmal an, der Mann ist unschuldig. Sagen wir, er war an dem Morgen, als die Frau getötet und vergewaltigt wurde, ganz woanders.
    Nehmen wir einmal an, dass er ein Alibi hat. Warum, um Himmels willen, wäscht er sich nicht selbst rein? Sein Leben ist schließlich ruiniert, politisch ist er mausetot, gesellschaftlich hat er Lepra.
    Es gibt nur eine Erklärung, dachte Annika. Mein erster Gedanke war richtig: Das Alibi ist noch schlimmer.
    Okay, noch schlimmer, aber für wen? Für ihn selbst?
    Wohl kaum, denn das ist so gut wie unmöglich.
    Bleibt nur eine Möglichkeit: schlimmer für die Partei.
    Aha, da hatte sie schon mal eine Lösung.
    Und weiter? Was konnte schlimmer für die Partei sein als ein des Mordes verdächtigter Minister mitten im Wahlkampf?
    Sie wälzte sich unruhig im Bett, legte sich auf die Seite und starrte ins Zimmer hinaus. Dann hörte sie Patricia die Wohnungstür öffnen und die Treppe hinuntergehen, wahrscheinlich wollte sie duschen.
    Die Einsicht kam leicht wie der Wind.
    Schlimmer war nur der Verlust der Macht. Christer Lundgren hatte in dieser Nacht etwas getan, das die Sozialdemokraten die Macht kosten würde, wenn es herauskäme. Es musste etwas Grundlegendes, Fundamentales sein. Was konnte der Regierungspartei derart den Boden unter den Füßen wegziehen?
    Annika setzte sich kerzengerade im Bett auf. Sie erinnerte sich an die Worte, ließ sie in ihrem Kopf Revue passieren. Dann ging sie zum Telefon im Wohnzimmer, setzte sich mit dem Apparat auf dem Schoß auf das Sofa.
    Schloss die Augen, atmete ein paar Mal tief durch.

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