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Studio 6

Studio 6

Titel: Studio 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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lachend den Kopf.
    »Ich habe wirklich nicht darüber nachgedacht, worin die Papiere lagen, sondern mich auf ihren Inhalt konzentriert.
    Das war einer der besten Tipps, die ich je in meinem Leben bekommen habe.«
    Annika lächelte.
    »Das kann ich mir vorstellen. Wie sahen die Säcke denn aus?«
    Berit sah sie einen Augenblick an.
    »Also, jetzt, wo du es sagst«, sagte sie nachdenklich. »Es stand ein gedruckter Text auf den Säcken.«
    »Hast du nicht gesehen, was da stand?«, fragte Annika.
    Berit schloss die Augen und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger zwischen den Augen.
    »Was ist?«, fragte Annika.
    »Es kann ein Luftbeutel gewesen sein«, meinte Berit.
    Annika verstand sie nicht.
    »Was ist denn ein Luftbeutel?«
    »Eine Art Postsack. In der Wiener Konvention gibt es einen Paragrafen, der sich mit der Unverletzlichkeit der Kommunikation zwischen einem Staat und seinen Botschaften im Ausland beschäftigt, ich glaube, es ist Artikel 27. Gemeint ist, dass Diplomatenpost in speziellen Postsäcken verschickt wird, die nicht kontrolliert werden dürfen. Es könnte ein solcher Luftbeutel gewesen sein.«
    Annika bekam eine Gänsehaut.
    »Wie konnte der denn beim Generalstab landen?«
    Berit schüttelte den Kopf.
    »Ein schwedischer Luftbeutel sollte da überhaupt nicht landen. Der sollte immer nur zwischen dem Außenmini sterium und den verschiedenen Botschaften hin- und hergehen.«
    »Aber der Sack war aus dem Ausland?«
    Berit war ratlos.
    »Nein«, sagte sie, »ich täusche mich. Ein schwedischer Luftbeutel ist blau mit gelber Schrift, ›diplomatic‹ steht da drauf. Der hier war grau mit roter Schrift. Ich habe nicht darauf geachtet, was .da stand, sondern erst einmal versucht, einen Eindruck davon zu gewinnen, wie umfassend das Archiv war und ob es irgendwelche Vorgänge oder Anlagen im Original enthielt. Das war leider nicht der Fall …«
    Sie saßen einen Augenblick schweigend da, und Annika betrachtete ihre ehemalige Kollegin.
    »Woher weißt du das bloß alles, Artikel und Konventionen und so?«
    Berit lächelte.
    »Im Laufe der Jahre hat man über die meisten Sachen geschrieben. Ein paar Dinge prägen sich eben ein.«
    Annika ließ den Blick aus dem Fenster schweifen.
    »Kann es ein ausländischer Postsack gewesen sein?«
    »Hm, oder ein Kartoffelsack«, meinte Berit.
    »Siehst du, worauf das hinausläuft?«, erkundigte sich Annika.
    »Worauf?«, fragte Berit erstaunt.
    »Ich werde es dir erzählen, wenn ich meiner Sache sicher bin«, versprach Annika. »Vielen Dank, dass du gekommen bist!«
    Sie umarmte Berit rasch, spannte den Schirm auf und warf sich in den Dauerregen.

Neunzehn Jahre, vier Monate und dreißig Tage
    Er ahnt den Abgrund wie ein Schaudern in der Dunkelheit, er balanciert auf dem Grat, ohne sich der Tiefe bewusst zu sein. D er findet seinen Ausdruck in krampfhaften Forderungen und harten Lippen. Er leckt an mir und saugt so lange, bis die Klitoris groß ist wie eine Pflaume, und behauptet, dass die Schreie ein Zeichen für Genuss sind, nicht für Schmerz. Die Schwellung bleibt tagelang und scheuert, wenn ich mich bewege.
    Ich tappe blind umher. Die Dunkelheit ist so groß. Die Furcht hängt wie graue Feuchtigkeit in meinem Inneren, es ist unmöglich aufzuatmen. Die Tränen sind direkt unter der Oberfläche, ständig gegenwärtig, unberechenbar, lassen sich immer schwerer unter Kontrolle halten. Die Wirklichkeit schrumpft, wird unter Druck und Kälte immer kleiner.
    Meine einzige Wärmequelle verbreitet auch die eisige Grobheit.
    Und er sagt,
    dass er mich niemals
    gehen lässt.

MITTWOCH, 5. SEPTEMBER
    »Hier kann man einfach nicht wohnen. Kein warmes Wasser und nicht einmal ein verdammtes Klo. Wann kommst du nach Hause?«
    Sven saß in der Küche, lediglich mit einer Unterhose bekleidet, und aß einen Teller Sauermilch.
    »Zieh dir doch bitte etwas an«, bat ihn Annika und knotete ihren Morgenrock zu. »Patricia liegt da drin und schläft.«
    Sie ging zum Herd und goss Kaffee auf.
    »Das auch noch«, meinte Sven. »Was macht die eigentlich hier?«
    »Sie musste irgendwo wohnen. Ich hatte ein Zimmer übrig.«
    »Und dann dieser Herd«, knurrte Sven, »der ist einfach lebensgefährlich. Du wirst noch das ganze Haus in Brand stecken.«
    Annika stöhnte leise.
    »Das ist ein Gasherd, der ist kein bisschen gefährlicher als ein elektrischer.«
    »Blödsinn«, schimpfte Sven beleidigt.
    Annika antwortete nicht, sondern trank schweigend ihren Kaffee. »Jetzt hör mal«, meinte Sven

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