Studio 6
gelangweilt an.
»Ja, natürlich.«
»Aha. Dann möchte ich Einsicht in ein öffentliches Dokument beantragen. Eine Quittung, die der ehemalige Außenhandelsminister Christer Lundgren am 28. Juli dieses Jahres einreichte.«
Die Frau hinter dem Tresen konnte ihren Triumph kaum verbergen.
»Tut mir Leid, aber das geht nicht«, tönte sie.
»Ach«, sagte Annika, »und warum nicht?«
»Der Außenhandelsminister untersteht, organisatorisch gesehen, dem Wirtschaftsministerium und nicht dem Außenministerium, dem er so lange unterstand, bis der derzeitige Ministerpräsident die Regierung übernahm«, erklärte sie. »Der Ministerpräsident hat alle Vorgänge, die mit dem Export zu tun haben, vom Außenministerium zum Wirtschaftsministerium verlegt, und dem Außenministerium wurden stattdessen die Asyl- und Einwanderungsangelegenheiten übertragen.«
Annika kniff die Augen zusammen.
»Das heißt, dass der Außenhandelsminister seine Rechnungen hier überhaupt nicht einreicht?«
»Ganz gewiss nicht«, antwortete die Dame.
»Keine Quittung und auch keine Reisekostenabrech nung?«
»Nicht eine einzige.«
Annika war fassungslos. Der Moderator von Studio 6 hatte behauptet, dass sie die Quittung aus dem Pornoklub im Außenministerium gefunden hatten, da war sie sich todsicher. Die ganze Sendung dröhnte wie ein alter Schlager in ihrem Kopf, ob sie es nun wollte oder nicht.
»Wo befindet sich das Wirtschaftsministerium?«
Sie ging am Mittelmeermuseum vorbei zur Fredsgatan 8.
»Ich hätte gerne eine Reisekostenabrechnung und eine Quittung vom 28. Juli dieses Jahres«, erbat Annika.
»Dauert das lange?«
Die Dame an der Registratur war freundlich und professionell. »Nein, das geht schnell. Wenn Sie in einer Stunde zurückkommen, werden wir sie für Sie rausgesucht haben.
Aber kommen Sie bitte nicht später, denn wir schließen dann …«
Sie ging die Drottninggatan hinauf und sah sich um. Es nieselte leicht, schwarze Wolken hinter dem Reichstagsgebäude deuteten auf sehr viel mehr Regen im Laufe des Abends hin. Sie schlenderte unbeteiligt herum und sah sich die Schaufenster an. Musik, Poster und billige Kleidung. All das lag außerhalb ihrer Möglichkeiten, sie war völlig blank. Der spontane Flug nach Piteå hatte sie den letzten Fünfhunderter gekostet.
Anne Snapphane war ein wenig beleidigt gewesen, als sie so schnell wieder nach Hause fahren wollte.
»Jetzt lass doch den blöden Minister«, hatte sie gesagt.
»Lass ihn in Frieden ruhen.«
Annika war das Ganze ein wenig unangenehm gewesen, aber sie bestand darauf.
»Ich muss fahren«, hatte sie geantwortet. »Ich will wissen, was passiert ist.«
Sie ging die Straße bis zur Klarabergsgatan hinab. Dort betrat sie ein grässliches amerikanisches Cafe und bestellte an der Kasse ein Eiswasser. Man verlangte dort fünf Kronen für ein Glas Wasser aus dem Hahn. Annika schluckte eine bissige Bemerkung hinunter und wühlte in der Jackentasche. Der Regen nahm zu, und es war einen Fünfer wert, nicht völlig durchnässt zu werden.
Sie setzte sich an die Bar und sah sich um. Das Cafe war voller Schickimickis mit Cappuccinos und Espressos.
Annika nahm einen Schluck Wasser und kaute auf einem Stück Eis.
Bislang hatte sie sich geweigert, darüber nachzudenken, aber jetzt ging es nicht mehr anders. Sie hatte einen Strafmonat bei der Arbeitslosenversicherung aufgebrummt bekommen, weil sie beim
Katrineholms-Kurier
gekündigt hatte, und sie würde keinen Lohn mehr vom
Abendblatt
bekommen.
Eigentlich habe ich nicht so furchtbar viele Ausgaben, dachte sie und listete alle einmal auf. Die Miete im Abrisshaus betrug 1970 Kronen monatlich, und außerdem teilten sie sie ja durch zwei. Das Essen brauchte nicht viel zu kosten, sie konnte von Tagliatelle leben. Die Monatskarte für die Bahn konnte sie kündigen und eine Streifenkarte für den Bus kaufen, zu Fuß gehen oder in der U-Bahn schwarzfahren. Das Telefon war notwendig, diese Investition hatte Vorrang. Hingegen fiel es ihr nicht sonderlich schwer, eine Weile auf Kleidung und Schminke zu verzichten.
Ich brauche noch einen Job, dachte sie.
»Ist der Stuhl hier frei?«
Ein Junge mit zweifarbig gefärbtem Haar und Mascara stand vor ihr.
»Klar«, murmelte Annika.
Sie musste noch aufs Klo gehen. Wenigstens das war gratis.
Nach fünfzig Minuten war sie wieder in der Fredsgatan.
Die Dame an der Registratur verschwand sogleich, um ein paar Papiere zu holen. Als sie wiederkam, machte sie ein bedauerndes Gesicht.
»Ich
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