Studio 6
zu, und Annika blieb stehen und versuchte, Ruhe zu bewahren.
»Ich habe keinen Klub ruiniert«, wandte sie ein.
Patricia trat einen Schritt vor, stieß sie an und schleuderte die Wohnungsschlüssel auf den Boden, so dass Annika unfreiwillig ein paar Schritte zurückwich.
»Ich habe das getan, um dir zu helfen«, schrie Patricia.
»Du brauchtest Geld, ich habe dir einen Job besorgt.
Warum hast du mir das angetan?«
Annika hielt schützend die Hände hoch, während sie ins Wohnzimmer zurückwich.
»Liebe Patricia, ich wollte dir nichts Böses, das muss dir doch klar sein, oder? Ich will nur das Beste für dich! Ich will dir helfen, ich will, dass du diesen Klub loswirst, die Erniedrigung …«
»Begreifst du denn nicht, was passieren wird?«, kreischte Patricia. »Er wird alles auf mich schieben! Er hat mit allen anderen Mädchen gebumst, alle gehörten sie ihm!
Ich gehörte Josefine, mir ist er zu nichts verpflichtet. Er wird mich in die Scheiße ziehen! Verdammt!«
Sie fing hemmungslos an zu weinen. Annika packte sie an den Schultern und schüttelte sie.
»Aber das stimmt doch nicht!«, sagte sie. »Die anderen Mädchen werden die Wahrheit sagen. Geh zur Polizei und sage, wie es gewesen ist, sie werden dir glauben.«
Patricia warf den Kopf in den Nacken und lachte laut und gellend. »Du bist so naiv, Annika«, sagte sie, und die Tränen liefen ihr die Wangen herab. »Du glaubst immer, dass die Wahrheit am Ende siegen wird. Werd mal erwachsen, du Kindskopf. Das ist nämlich nie so.«
Sie riss sich los und rannte ins Mädchenzimmer, warf ihre Sachen in die Sporttasche und schleifte die Matratze hinter sich her. Sie verkantete sich in der Tür, und Patricia zerrte und fluchte.
»Du musst nicht ausziehen«, sagte Annika.
Die Matratze kam los, und Patricia fiel fast hin. Sie zitterte vor Schluchzen, zog das Schaumgummi hinter sich her.
»Ich werde hier wohnen bleiben«, erklärte Annika. »Ich habe wieder einen Job beim
Abendblatt
bekommen. Du kannst hier wohnen, so lange du willst.«
Patricia hatte es bis zur Eingangstür geschafft, jetzt hielt sie inne. »Was sagst du da?«, fragte sie. »Du hast einen Job bekommen?«
Annika lächelte nervös.
»Ich habe eine Menge Recherche betrieben und bin damit zum Ressortchef, und er hat mich wieder eingestellt.«
Patricia ließ die Matratze auf den Boden fallen, machte kehrt und ging zu Annika zurück. Ihre schwarzen Augen brannten wie Feuer. »Pfui, schäm dich«, zischte sie. »Pfui, du hast deine Freunde reingerissen.«
Annika versuchte zu erklären.
»Aber das hatte nichts mit dir zu tun und auch nicht mit dem Klub …«
»Und bei der Polizei hast du auch gequatscht, du mieses Luder! Wie konnten die sonst wissen, dass die Bücher gerade jetzt dort waren? Du hast mich geopfert, deine Freundin, für einen verdammten Job!« Patricia verlor die Beherrschung und schrie es laut heraus.
»Pfui, was für ein widerlicher Haufen Scheiße du doch bist! Pfui, schäm dich!«
Annika wich zurück, sie hörte ihre eigenen Worte im Kopf dröhnen, großer Gott, Patricia hatte Recht, was habe ich getan, was habe ich nur getan?
Die andere Frau lief zu ihrer Matratze zurück, schleifte sie hinter sich her und verließ die Wohnung, ohne die Tür zu schließen. Annika eilte zum Fenster und sah Patricia über den Hinterhof rennen und die Matratze durch den Kies hinter sich herzerren. Sie drückte die Stirn an das kühle Glas. Langsam ging sie zum Mädchenzimmer zurück. Auf dem Fußboden lag ein umgefallener Becher, an der Wand hing noch Josefines rosa Kleid. Die Tränen stiegen in ihr hoch.
»Entschuldige«, wisperte sie. »Das wollte ich nicht.«
Sie war den ganzen Weg nach Flen wie betäubt. Sie sah die sörmländischen Bauernhöfe vorbeifliegen, sie konnte nichts fühlen oder essen. Das Rattern des Zuges wurde in ihrem Kopf zu Beschwörungen, Studio 6, ihr Fehler, Patrici-a, ihr Fehler, Be-trug, ihr Fehler, ihr Fehler, ihr Fehler …
Sie hielt sich die Hände vor die Ohren und schloss die Augen. Der Bus wartete an der Haltestelle gegenüber vom Bahnhof, immerhin etwas. Wenige Minuten später fuhr er in Richtung Hälleforsnäs los, an Mellösa vorbei und hielt am Baumarkt in Flenmo.
Vielleicht ist es das letzte Mal, dass ich hierher komme, um nach Hause zu fahren, dachte sie.
Vor dem Supermarkt stieg sie wie gewöhnlich aus, blieb stehen und sah dem Bus nach, der an der Imbissbude verschwand. Sie mochte nicht nach Hause gehen, wollte noch nicht in ihre aufgegebene
Weitere Kostenlose Bücher