Studio 6
Nur dreitausend. Sechs Kunden den ganzen Nachmittag und den Abend. Das war mager. Sie drückte die Kasse wieder zu.
Na ja. Über Nacht machten sie das wieder wett. Die Hitze brachte das Blut der Touristen zum Kochen.
Sie ging in den kahlen Umkleideraum neben dem Büro und hängte ihre Tasche und die Jeansjacke auf, zog das Leinenhemd und die Shorts aus und holte den paillettenbesetzten BH hervor. Der String-Tanga war im Schritt klebrig vom Ausfluss, sie durfte nicht vergessen, ihn auszuspülen, ehe sie morgen früh ging. Sie schminkte sich schnell und kräftig, obwohl sie eigentlich kein Make-up mochte. Die Schuhe würden eine Qual sein. Die Sohle war an den Absätzen fast ab. Sie knöpfte die Riemen, holte einmal tief Luft und trippelte wieder zum Eingang.
Der Roulettetisch war auf der Längsseite der Gäste grau von Asche, sie sah, dass wieder einmal jemand ein Loch in den grünen Filz gebrannt hatte. Ärgerlich hob sie den Aschenbecher hoch – Rauchen sollte am Spieltisch verboten sein. Sie nahm die Bürste, die auf dem Regal auf der Seite des Croupiers lag, und fegte die Asche ab, über die Tischkante und auf den Fußboden.
»Ist unsere Putzfrau wieder in voller Fahrt?«
Joachim stand in der Tür zum Büro, an den Türrahmen gelehnt.
Patricia erstarrte.
»Es sah so dreckig aus«, sagte sie.
»Du solltest nicht darüber nachdenken«, entgegnete Joachim und lächelte ihr zu. »Du sollst einfach nur schön und sexy sein.«
Er richtete sich auf und kam auf sie zu, immer noch lächelnd, mit ausgestreckter Hand. Patricia schluckte. Er strich ihr über die Schulter und ließ seine Hand ihren Arm hinuntergleiten. Sie zog sich vorsichtig zurück. Sein Lächeln erstarb.
»Wovor hast du Angst?«, fragte er. Seine Augen hatten einen ganz anderen Ausdruck bekommen, kalt abschätzend. Patricia schaute auf ihre glitzernden Brüste hinunter.
»Vor nichts, wieso?«
Ihre Stimme war nicht ganz fest. Er ließ sie brüsk los.
»Du hast dieses Schmutzblatt gelesen«, sagte er.
Patricia schaute auf und machte unschuldige große Augen.
»Welches meinst du?«
Sein Blick ruhte schwer auf ihr, sie konzentrierte sich darauf, ihm zu begegnen.
»Sie werden ihn bald haben«, sagte er.
Sie blinzelte.
»Wen denn?«
»Den Minister. Sie haben es im Radio gesagt. Die Typen, die an dem Abend hier waren. Es war einer von ihnen. Er ist den ganzen Tag verhört worden. Der Ministerpräsident ist sicher sauer.«
Ihre Augen verengten sich.
»Woher weißt du das?«
Er wandte sich um und ging zur Bar.
»Sie haben es im Radio gesagt. Studio 6.«
Er hielt inne, warf ihr einen Blick über die Schulter zu und lächelte wieder.
»Könnte doch nicht passender sein, oder?«
TEIL II
AUGUST
Achtzehn Jahre, einen Monat und drei Tage.
Die Liebe wird oft so platt und gleichgültig beschrieben, immer nur rosarot. Einen anderen Menschen zu lieben kann die ganze Farbpalette umfassen, kann in Stärke und Intensität variieren, kann schwarz und grün und ekelhaft gelb sein.
Es fiel mir etwas schwer, das einzusehen. Ich war auf das Helle, Kristallfarbene fixiert, konnte mich mit den grellen Farben nicht anfreunden.
Ich weiß, dass er das tut, um mir zu helfen, und doch macht es mich fertig.
Er nimmt an, dass ich in meiner Kindheit etwas ausgesetzt war, das es mir unmöglich macht, mich sexuell zu lösen.
Ich habe nachgedacht und nachgedacht, doch ich kann mir nicht vorstellen, was es gewesen sein könnte.
Wir experimentieren, vereint in unserer Liebe, damit ich in dieser Sache weiterkomme. Ich sitze auf ihm, fühle ihn tief in mir, da schlägt er mich plötzlich mit der Hand ins Gesicht. Ich erschrecke, Tränen steigen mir in die Augen.
Ich frage ihn, warum er das tut.
Er streichelt mir über die Wange, führt ihn hart und tief ein. Das ist, um dir zu helfen, sagt er, schlägt wieder und bewegt sich dann hart, bis er kommt.
Hinterher sprechen wir lange darüber, wie wir zur Göttlichkeit in unserer Beziehung zurückfinden können. Es mangelt mir an Hingabe, ich sehe das ein. Ich muss ihm vertrauen. Wie kann es mir sonst gelingen?
Wir sind das Wichtigste,
das es gibt,
füreinander.
MITTWOCH, 1. AUGUST
Annika betrat kurz vor neun Uhr das Foyer der Zeitung.
Tore Brand saß am Empfang und begrüßte sie säuerlich.
»Bomben und Granaten«, sagte er, »das ist alles, wofür sich diese Zeitung interessiert.«
Er nickte zum Aufmacher hinüber, der am Fahrstuhl aufgehängt war. Annika folgte seinem Blick, aber es dauerte ein paar
Weitere Kostenlose Bücher