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Studio 6

Studio 6

Titel: Studio 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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tickte, die Minuten flogen vorbei. Die Küche ihrer Großmutter war ihr Sinnbild für Frieden und Wärme. Der Eisenherd mit dem weiß verputzten Abzug, der Korkfußboden, das Wachstuch, die Wiesenblumen auf dem Fensterbrett – hier hatte sie gelernt, ohne warmes Wasser zu leben.
    »Bleibst du über Nacht?«, fragte Großmutter.
    Im selben Moment hörte man die Erkennungsmelodie des Magazins Studio 6. Die alte Frau streckte die Hand aus, um die Lautstärke herunterzudrehen, aber Annika hielt sie auf.
    »Lass uns hören, was sie heute gemacht haben«, meinte sie.
    Die Musik wurde leiser, und der sonore Bass des Moderators legte sich darüber.
    »Die Polizei hat einen Mann verhört, der des Mordes an einem jungen Mädchen im Kronobergspark in Stockholm verdächtigt wird«, sagte er. »Nach unseren Informationen handelt es sich bei diesem Mann um den Außenhandelsminister Christer Lundgren. Mehr dazu in unserem aktuellen Magazin mit Debatten und Analysen, direkt aus dem Studio 6.«
    Wieder war die Erkennungsmelodie zu hören, Annika schlug die Hände vor den Mund. Um Himmels willen, war das die Möglichkeit?
    »Aber was ist denn, du bist ja ganz blass?«, meinte Großmutter. Die Musik lief aus, und der Moderator ergriff wieder das Wort.
    »Es ist Montag, der 31. Juli, willkommen im Studio 6 im Funkhaus Stockholm«, sagte er und fuhr dann mit Grabesstimme fort:
    »Die Sozialdemokratie steht offensichtlich vor einem ihrer größten Skandale überhaupt. Der Minister ist bisher zwei Mal verhört worden, gestern per Telefon und heute im Dezernat für Gewaltverbrechen auf Kungsholmen. Wir gehen direkt zum Präsidium der Stockholmer Polizei.«
    Es rasselte und knisterte ein wenig.
    »Ja, ich stehe hier mit dem Pressesprecher der Polizei«, hörte man einen Reporter mit Nachdruck sagen. »Was ist denn heute hier passiert?«
    Die Stimme des Pressesprechers erklang in der Küche.
    Annika drehte die Lautstärke noch etwas höher.
    »Es ist richtig, dass die Polizei bei der Verfolgung des Mörders von Josefine Liljeberg gewisse Spuren verfolgt«, erklärte er. »Ich kann zurzeit jedoch keinerlei Details bekannt geben. Keine Person ist offiziell des Mordes verdächtigt, auch wenn die Verhöre bisher in eine bestimmte Richtung weisen.«
    Der Reporter hörte nicht zu.
    »Wie stehen Sie zu der Tatsache, dass ein Minister mitten im Wahlkampf eines derartigen Verbrechens verdächtigt wird?«, fragte er.
    Der Pressesprecher zögerte.
    »Also«, sagte er dann, »ich kann solche Informationen derzeit weder bekräftigen noch dementieren. Es gibt keine Person, die offiziell …«
    »Aber der Minister ist heute verhört worden?«
    »Außenhandelsminister Christer Lundgren ist eine von vielen Personen, die aus Gründen der näheren Information verhört wurden, das ist richtig«, erklärte der Pressesprecher.
    »Sie bestätigen also das Verhör«, sagte der Reporter triumphierend.
    »Ich kann bestätigen, dass wir in diesem Mordfall bisher ungefähr dreihundert Verhöre geführt haben«, sagte der Pressesprecher, der langsam etwas angestrengt klang.
    »Was hatte der Minister denn zu seiner Verteidigung zu sagen?«
    Nun war der Pressesprecher leicht verärgert. Außerdem hörte man seinen Pieper. Ganz schön übel, dachte Annika, der wird heute Nacht nicht viel Schlaf bekommen.
    »Natürlich kann ich keine Angaben zu dem machen, was in einem Verhör im Rahmen laufender Polizeiermittlungen gesagt wird«, erklärte er.
    Der Kontrollraum kappte die Verbindung, und der Moderator war wieder da.
    »So, hier sind wir wieder im Studio 6 des Funkhauses Stockholm«, sagte er. »Für die Sozialdemokraten ist dies mitten im Wahlkampf ein schwerer Schlag, selbst wenn der Minister nicht verurteilt werden sollte. Allein die Tatsache, dass ein Minister in diesem Zusammenhang genannt wird, wirkt sich vernichtend auf die Glaubwürdigkeit der Partei aus. Darüber werden wir in der heutigen Ausgabe von Studio 6 sprechen.«
    Es folgte ein wenig Musik, während der Moderator vermutlich einen Schluck Wasser trank und mit der Technik plauderte. Als er wieder das Wort ergriff, hatte er einen Gast im Studio, einen so genannten Professor für Journalistik, der seine Position der Tatsache zu verdanken hatte, dass er ein aus politischen Gründen eingesetzter Chefredakteur einer großen sozialdemokratischen Zeitung war, deren Druckerei Schwedens größter Produzent von Pornozeitschriften war.
    »Ja«, sagte der mürrische Professor, »das ist in der Tat eine Katastrophe für

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