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Studio 6

Studio 6

Titel: Studio 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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reißerischer der Aufmacher, desto höher das Honorar des Reporters?«
    »Ja, so kann man es sagen.«
    »Glauben Sie wirklich, dass sie einfach nur versucht hat, sich dem Höchstbietenden zu verkaufen?«
    »Nein, leider können noch weitaus zweifelhaftere Motive hinter der ganzen Sache stecken.«
    »Und welche?«
    Der Experte räusperte sich.
    »Es ist so«, begann er, »in Stockholm gibt es Tausende von Lobbyisten. Diese Lobbyisten haben nur eines im Sinn: gegen Bezahlung Medien und Meinungsmacher dazu zu bringen, sich so im Sinne ihrer Auftraggeber zu verhalten. Gerüchte streuen nennt man es, wenn man versucht, die Medien zu beeinflussen. Man verleitet oder kauft einen Journalisten mit einem Gerücht, und dann erfüllt einem der Reporter einen Wunsch.«
    »Glauben Sie, dass es sich in diesem Fall so zugetragen hat?«
    »Ja, davon bin ich absolut überzeugt«, erwiderte der Kommentator im Brustton der Überzeugung. »Jedem, der etwas Einblick in diese Branche hat, ist vollkommen klar, dass Annika Bengtzons Artikel über Christer Lundgren auf gezielt gestreuten Gerüchten beruhen.«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte der Moderator beeindruckt.
    »Ich werde Ihnen den Beweis vorspielen, eine Sequenz, die ich heute Morgen in Rosenbad aufgenommen habe«, erwiderte der Experte triumphierend.
    Die Stimme des Ministerpräsidenten erfüllte den Äther.
    »Scherz beiseite, Christer Lundgren tut mir natürlich Leid«, sagte der Regierungschef besorgt. »Diese Art von unbegründetem Verriss durch die Medien ist immer eine Prüfung. Aber ich versichere Ihnen, für die Regierung und für die Partei spielen diese völlig übertriebenen Behauptungen überhaupt keine Rolle. Wahrscheinlich haben Sie heute das
Abendblatt
gelesen, da hat man herausbekommen, warum Lundgren verhört wird. Er hat zufällig eine Wohnung in der Nähe des Kronobergsparks. Selbst Minister müssen irgendwo wohnen.«
    Man kehrte zurück ins Studio.
    »Ja, da haben wir es mit eigenen Ohren gehört«, sagte der Experte. »Der Ministerpräsident verweist direkt auf Informationen in der Zeitung und will, dass die anderen Medien diesen folgen.«
    »Welche Verantwortung haben die Politiker, in diesem Fall die Regierung?«
    »Nun, es muss natürlich kritisiert werden, dass sie eine so junge Journalistin ausnutzen. Die unerfahrenen Sommervertretungen sind nun mal leider leichter zu manipulieren.«
    Nun ergriff der Moderator wieder das Wort.
    »Natürlich haben wir versucht, den Chefredakteur des
Abendblatts
zu erreichen, damit er unsere Einschätzung der Lage kommentiert. Doch wir haben den Bescheid bekommen, er sei nicht anzutreffen …«
    Annika stand auf und ging zur Toilette, der Fußboden schien unter ihr zu schwanken. Das Gefühl nahm noch zu, als sie in den Flur hinter der Redaktion kam, und sie musste sich an die Wand lehnen. Ich breche zusammen, dachte sie. Das wird nicht gehen. Ich schaffe es nicht. Ich werde hier auf den Fußboden kotzen.
    Sie übergab sich am Waschbecken in der Behindertentoilette, und als sie sich im Spiegel betrachtete, war sie erstaunt, dass sie immer noch ganz war und aussah wie immer, atmete und noch einen Herzschlag hatte.
    Ich kann mich nie wieder draußen zeigen, dachte sie. Ich bin für alle Zeiten erledigt. Ich werde nie wieder einen Job bekommen. Nicht einmal beim
Katrineholms-Kurier
werden sie mich noch haben wollen, ich werde die Kündigung bekommen.
    Sie begann zu weinen.
    Um Himmels willen, wo soll ich bloß wohnen? Wenn ich die Miete nicht bezahlen kann, wo soll ich dann hingehen?
    Sie sank auf dem Fußboden zusammen und weinte.
    Lyckebo, dachte sie plötzlich und hörte auf zu weinen.
    Ich ziehe zu Großmutter. Da findet mich niemand.
    Großmutter wird sowieso irgendwann im Oktober in die Wohnung in Hälleforsnäs ziehen, da kann ich draußen wohnen bleiben.
    Sie schnauzte sich in ein Stück Toilettenpapier und trocknete die Tränen.
    Ja, das werde ich machen! Großmutter hatte versprochen, für sie da zu sein, sie würde Annika nicht im Stich lassen. Und außerdem war sie in der Gewerkschaft, so würde sie das erste Jahr noch Arbeitslosengeld bekommen, dann würde sie weitersehen. Sie könnte ins Ausland gehen, das hatten schon viele gemacht. In Israel Apfelsinen pflücken oder Trauben in Frankreich, oder warum nicht Neuseeland?
    Sie stand wieder auf. Es gab massenhaft Auswege.
    »Man sollte nicht so einen engen Horizont haben«, sagte sie laut zu sich selbst.
    Sie hatte einen Beschluss gefasst. Nie wieder würde sie

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