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Studio 6

Studio 6

Titel: Studio 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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ich gehört.«
    Annika begann zu gestikulieren.
    »Sie trauern, und deshalb kann man sie nicht zur Rechenschaft ziehen. Es ist schade um sie, und deshalb darf man sich ihnen einfach überhaupt nicht mehr nähern.
    Alles, was in diesem verdammten Land auch nur im Entferntesten unangenehm oder kontrovers ist, darf einfach nicht gesagt werden. Wir glauben, dass Tod und Gewalt und Leiden verschwinden, wenn wir sie begraben und niemals darüber sprechen. Aber das ist falsch!
    Verstehen Sie? So wird alles nur noch schlimmer! Die jungen Leute da draußen waren nicht ganz bei Trost! Die hätten uns genauso gut anzünden können!«
    »Also, ich glaube, jetzt übertreiben Sie ein wenig«, versuchte Anders Schyman sie zu beruhigen.
    »Himmel nochmal!«, rief Annika aus. »Diese verdammten pathetischen Sozialfuzzis haben das Monopol für alles, was Trauerarbeit und Verständnis heißt, an sich gerissen.
    Krisenteam, ja, vielen Dank! Alles, was sie gemacht haben, war, den Jugendlichen alle Vernunft auszutreiben.
    Die meisten von ihnen hatten noch nie ein Wort mit Josefine gewechselt, darauf wette ich! Weshalb sollten sie an irgendeiner wochenlangen Trauerorgie teilnehmen? Die waren in Trance, Schyman, die wussten nicht mehr, was sie taten. Und in uns sehen sie das Böse, ein Racheobjekt, ein Opfer. Und jetzt kommen Sie mir, verdammt nochmal, nicht damit, ich würde übertreiben!«
    Ihr Gesicht war rot angelaufen vor Erregung und Wut, sie atmete kurz und stoßweise.
    Der Ressortchef sah sie belustigt an.
    »Ich kann mir vorstellen, dass Sie Recht haben«, meinte er.
    »Ja, zum Teufel, natürlich habe ich Recht«, schimpfte sie.
    Er lächelte.
    »Was für ein Glück, dass Sie beim Schreiben nicht so viel fluchen«, sagte er.
    »Das ist eine verdammt idiotische Bemerkung«, entgegnete sie.
    »Zum Teufel, ist doch klar, dass ich das nicht tue.«
    Anders Schyman lachte. Annika trat zu ihm.
    »Das ist nicht witzig«, hielt sie ihm vor, »es ist sehr ernst. Die Jugendlichen am Friedhof waren ein Lynchmob.
    Das heißt nicht, dass sie uns wirklich Schaden zugefügt hätten, aber sie haben uns ganz klar bedroht. Eigentlich sollten wir sie anzeigen. Das Auto von Pettersson hat Brandflecken im Lack, was bei der alten Klapperkiste nicht viel ausmacht, aber immerhin. Wir sollten ein Zeichen setzen, dass die Leute sich nicht benehmen können, wie sie wollen, auch wenn sie irgendeine Trauer als Alibi haben.«
    »Es gibt Krisengruppen, die ganz hervorragende Arbeit leisten«, sagte der Ressortleiter ernst. »Wenn man alle Hilfsorganisationen über einen Kamm schert, ist das ebenso unseriös, wie zu behaupten, dass die komplette Abendpresse nur das Unglück anderer ausschlachten will.«
    Annika antwortete nicht, und der Mann schaute sie eine Weile schweigend an.
    »Sie haben in der letzten Zeit ziemlich viel gearbeitet, nicht wahr?«, fragte er.
    Sie nahm sofort eine Verteidigungshaltung ein.
    »Es ist nicht so, dass ich ausgepowert bin und deshalb überreagiere«, gab sie kurz zurück.
    Der Ressortleiter erhob sich.
    »Das habe ich auch nicht gedacht«, sagte er. »Ist das hier Ihre vorgesehene Schicht?«
    Sie senkte den Blick.
    »Nein, die fängt erst am Samstag an.«
    »Nehmen Sie sich übers Wochenende frei«, bestimmte er. »Fahren Sie weg und ruhen Sie sich aus, das können Sie nach so einem Rückschlag gebrauchen.«
    Sie drehte sich um und verließ das Zimmer, ohne noch etwas zu erwidern. Auf dem Weg ins Treppenhaus hörte sie Jansson in der Redaktion jubeln:
    »Mein Gott, was machen wir doch für eine gute Zeitung!
    Der Parteisprecher gibt zu: Ich war die IB, der Ministerpräsident kommentiert die Mordverdächtigungen, die Ninja Barbies sind gefasst, und wir haben die Exklusivbilder!«
    Sie beeilte sich, in den Fahrstuhl zu kommen.
    Erst als sie vor dem Hinterhaus stand, wurde ihr mit einem Mal klar, dass sie keine Schlüssel hatte. Die Tür konnte nur mit einem Schlüssel geöffnet werden, es gab kein Codesystem. Am liebsten hätte sie wieder angefangen zu weinen.
    »Verdammte Scheiße«, schimpfte sie und zog an der Tür. Zu ihrem Erstaunen ging sie auf. Ein kleines hellgrünes Stück Karton segelte zu Boden.
    Patricia, dachte Annika. Sie hat begriffen, dass ich nicht hineinkommen würde, und hat das Schloss blockiert.
    Sie schleppte sich die Treppen hinauf, und der Weg kam ihr unendlich lang vor. An ihrer Wohnungstür klebte ein C5-Kuvert, in dem die Schlüssel klirrten, als sie es löste.
    »Tausend Dank für alles. Hier sind deine

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