Stürmische Begegnung - zauberhafte Eroberung
seine Seite. „Endlich können wir dinieren; Hester ist wieder aufgetaucht. Weiß der Himmel, wo sie gesteckt hat.“ Demonstrativ zog er seine Taschenuhr hervor. Die rothaarige Frau, der diese Geste nicht entging, errötete und senkte das Haupt.
„Hester, komm doch bitte einmal“, rief Sir Thomas. Durch seine laute Stimme auf ihre Ankunft aufmerksam geworden, eilten sofort sämtliche Kinder zu der Frau hinüber, die sich zu ihnen niederbeugte und versuchte, so viele wie möglich auf einmal zu umarmen. Sir Thomas seufzte. „Ich muss mich entschuldigen, Mylord. Hester ist so verrückt nach Kindern, dass sie darüber jedes Benehmen vergisst. Aber das hat auch sein Gutes: Wenn die Kleinen gleich mit uns zu Tisch sitzen, wird Hester dafür sorgen, dass sie nicht stören. Sie versteht es stets, die Kleinen zu fesseln. Wie man sieht, lieben sie sie heiß und innig.“
„Hester?“ Also war sie keine Bettlerin, sondern eine Bedienstete – und zwar, wie er sich mit wiederaufflammender Wut vergegenwärtigte, jene Bedienstete, die Stephen und ihn im baufälligsten Winkel des Hauses untergebracht hatte. Die niemals vor seine Pferde geraten wäre, hätte sie hier ihre Pflicht getan. Und die zweifellos genau gewusst hatte, auf wen sie da draußen auf der Gasse zeternd und Feuer speiend losgegangen war.
Sir Thomas brummte ungeduldig und ging zu Hester hinüber, da sie keine Anstalten machte, sich von den Kindern zu lösen. Mit zusammengekniffenen Augen sah Lensborough, wie die offene Freude über das Willkommen der Kinder einem störrischen Blick wich, als Sir Thomas sie am Arm nahm und in Richtung des Kamins führte. Dieser Mann wollte ihm offenbar tatsächlich noch eine Bedienstete vorstellen …
Hesters Wangen glühten. Ihr Versuch, unbemerkt in den Salon zu schlüpfen, um ihre Verspätung zu kaschieren, war misslungen. Ehe sie sich versehen hatte, war im Zigeunerlager die Dämmerung angebrochen. Sie hatte sich nur rasch die Hände und das Gesicht waschen und das erstbeste saubere Kleid überstreifen können. Zum Waschen der Haare, denen man das unfreiwillige Bad im Graben deutlich ansah, hatte die Zeit nicht gereicht, und so hatte sie nur einige besonders verfilzte Stellen mit der Nagelschere herausgeschnitten und den Rest hochgesteckt.
Jetzt schlug ihr das Herz bis zum Hals, denn ihre Hoffnung, Lord Lensborough werde sie nicht wiedererkennen, da Pferde ihm wichtiger waren als Menschen, war durch den ersten Blick aus seinen rabenschwarzen Augen zunichte gemacht worden. Seine zuckenden Nasenflügel und die verengten Augen verrieten seine Entrüstung darüber, dass sie es wagte, dieselbe Luft zu atmen wie er. Und jetzt hatte Onkel Thomas sie auch noch ihres menschlichen Schutzschildes beraubt und sie zu ihm gezerrt. Warum wollte er sie unbedingt miteinander bekannt machen? Sie hatte ihm doch immer wieder erklärt, dass sie sich im Hintergrund um alles kümmern und ihren Cousinen die Konversation überlassen wollte!
„Lord Lensborough, meine Nichte, Lady Hester Cuerden.“ Onkel Thomas ließ ihren Ellbogen los.
Also war er es wirklich. Hatte sie Emily nicht gleich gesagt, dass der schwarzhaarige, missgelaunte Mensch auf dem Kutschbock jener Pascha sein musste, der wie auf einem Sklavenmarkt mit dem Finger auf eine ihrer Cousinen zeigen würde? Es war ihr unangenehm, so dicht vor ihm zu stehen, aber einen Schritt zurückzutreten wäre einer eingestandenen Niederlage gleichgekommen.
„Ihre Nichte?“ Sein ungläubiger, verwirrter Tonfall gab Hester eine gewisse Befriedigung. Wahrscheinlich kam es nicht alle Tage vor, dass seine Opfer sich in einen anständigen Salon verirrten, um ihn an seine Missetaten zu erinnern!
Die Furchen in Lensboroughs Stirn vertieften sich. Nun gut, diese Frau war also keine Bedienstete, sondern ein Familienmitglied. Aber Lady Hester?! Als sie sich aus dem Graben befreit hatte, war es ihm trotz ihrer klaren, dialektfreien Aussprache keinen Augenblick in den Sinn gekommen, dass sie ein Mitglied der besseren Gesellschaft sein könnte, denn ihre Kleider hatten wirklich schrecklich ausgesehen. Eine Dame würde niemals im Aufzug einer Bettlerin aus dem Haus ge hen; sogar in der größten Not würde sie noch versuchen, aus den vorhandenen Mitteln das Beste zu machen. Er ließ seinen Blick erst über das schlammbraune Abendkleid wandern, das wie ein Sack von ihren schmalen Schultern hing, und dann über ihren Scheitel, den sie ihm präsentierte, da sie konsequent den Teppich vor seinen Füßen
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