Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stürmische Begegnung

Stürmische Begegnung

Titel: Stürmische Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
mit dem Schwanz zu wedeln.
    Jetzt, wo die beiden standen, der eine groß und schlank und der andere klein und dick, bildeten sie einen noch auffälligeren Kontrast als eben. Der Schlanke nahm einen Trenchcoat, der über seiner Stuhllehne gelegen hatte, legte ihn sich wie ein Cape um die Schultern und wandte sich zur Tür, in unsere Richtung. Ich war einen Moment lang enttäuscht, denn von vorn gesehen erfüllten die feinen, attraktiven Züge nicht ganz die Erwartun gen, die das Profil geweckt hatte. Dann vergaß ich meine Enttäu schung, weil er plötzlich Joss bemerkte. Joss spürte vielleicht sei nen Blick, denn er hörte auf, mit Tommy Williams zu reden, und drehte sich um. Sie sahen sich einen Moment lang verwirrt an, und dann lächelte der große Mann, das Lächeln zog tausend Fältchen um seine lebhaften Augen, und das Gesicht strahlte auf ein mal einen unwiderstehlichen Charme aus.
    „Joss!“ sagte er. „Lange nicht gesehen.“ Die Stimme war wohlklingend und freundlich.
    „Hi“, sagte Joss und blieb auf dem Barhocker sitzen.
    „Ich dachte, Sie seien in London.“
    „Nein. Ich bin wieder da.“
    Die Tür knarrte, und ich registrierte flüchtig, daß der andere Mann, der dicke, wortlos gegangen war.
    „Ich werd dem alten Knaben sagen, daß ich Sie getroffen habe.“
    „Ja, tun Sie das.“
    Die tiefliegenden Augen sahen mich an und blickten dann wie der fort. Ich wartete darauf, daß Joss uns miteinander bekannt machte, aber er tat es nicht. Diese Unhöflichkeit traf mich aus irgendeinem Grund wie ein Schlag ins Gesicht.
    „Dann bis bald“, sagte der Mann und wandte sich zum Gehen.
    „Ja.“
    „Gute Nacht, Tommy“, rief er dem Barkeeper zu, während er die Tür öffnete und den Hund zuerst hinauslaufen ließ.
    „Gute Nacht, Mr. Bayliss“, sagte der Barkeeper.
    Mein Kopf flog herum, als hätte ihn jemand an einer Schnur gezogen. Er war bereits fort, und die Tür schwang noch leicht hin und her. Ohne zu überlegen, rutschte ich vom Hocker, um hinter ihm herzustürzen, aber eine Hand ergriff meinen Arm und hielt mich fest. Ich drehte mich um und sah, daß es Joss war. Draußen wurde ein Motor angelassen. Jetzt war es zu spät.
    „Wer war das?“ fragte ich.
    „Eliot Bayliss.“
    Eliot. Rogers Sohn. Mollies Kind. Der Enkel von Grenville Bayliss. Mein Vetter ersten Grades. Familie.
    „Er ist mein Vetter.“
    „Das hab ich nicht gewußt.“
    „Sie wissen doch meinen Namen. Warum haben Sie uns nicht bekannt gemacht? Und warum haben Sie mich eben festgehal ten?“
    „Sie werden ihn noch schnell genug kennenlernen. Heute abend ist es zu spät, zu naß und zu dunkel für Familientreffen.“
    „Grenville Bayliss ist auch mein Großvater.“
    „Ich hab mir schon gedacht, daß Sie wahrscheinlich was mit ihm zu tun haben“, sagte Joss kühl. „Trinken Sie noch was.“
    Aber jetzt war ich wirklich zornig. „Danke, ich möchte nichts mehr“, fauchte ich.
    „Dann essen wir jetzt am besten etwas.“
    „Ich möchte auch nichts essen.“
    Mir war der Appetit vergangen, jedenfalls bildete ich mir das ein. Ich wollte keinen Moment länger mit diesem flegelhaften und arroganten Menschen zusammensein. Ich sah zu, wie er aus trank und vom Barhocker rutschte, und eine Sekunde lang dachte ich, er würde mich beim Wort nehmen, mich in die Fish Lane zurückfahren und mich dort mit leerem Magen absetzen. Aber zum Glück tat er so, als hätte er nichts gehört, zahlte einfach die Drinks und ging mir wortlos voran durch eine Tür am anderen Ende des Gastraums, die einige Stufen hinauf zu einem kleinen Restaurant führte. Ich folgte ihm, weil ich nicht wußte, was ich sonst tun sollte. Außerdem hatte ich Hunger.
    Die meisten Tische waren schon besetzt, aber eine Kellnerin erkannte Joss, begrüßte uns und führte uns zu einem sehr schö nen Tisch, offensichtlich dem besten im Restaurant, in einem kleinen Erker. Durch das Fenster sah ich die Umrisse wasser glänzender Dächer und dahinter das glitzernde Dunkel des Ha fens mit dem Schein der Laternen an der Uferstraße und den winzigen Lichtern der Fischerboote.
    Wir saßen einander gegenüber. Ich war immer noch wütend, mied seinen Blick, zeichnete mit dem Finger Muster auf das Tischtuch und hörte zu, wie er bestellte, was ich essen sollte. Offenbar hielt er mich nicht für fähig, selbst zu wählen. Ich hörte die Kellnerin sagen: „Für die junge Dame das gleiche?“ – als ob sogar sie über das rücksichtslose Benehmen staunte – und seine barsche Antwort:

Weitere Kostenlose Bücher