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Stürmische Begegnung

Stürmische Begegnung

Titel: Stürmische Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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heißes Bad und saubere, frische Sachen trugen eine Menge dazu bei, mich inner lich zu wappnen. Ich kämmte mir die Haare, trug ein wenig Lidschatten auf, betupfte mich mit dem Rest aus einer teuren Parfumflasche und fühlte mich der Situation schon halbwegs gewachsen. Ich hatte bereits ein Kleid aus dem Rucksack genom men und in der Hoffnung aufgehängt, die Knitterfalten würden verschwinden, ein schwarzes Wollkleid mit langen Ärmeln. Nun zog ich es an, dazu sehr feine dunkle Strümpfe und Pumps mit hübschen altmodischen Schnallen, die ich vor langer Zeit auf dem Trödelmarkt in der Portobello Road gefunden hatte. Als ich meine Perlen-Ohrclips befestigte, hörte ich trotz des heulenden Winds, wie Joss Gardners Pritschenwagen die Straße herunter brauste. Bremsen quietschten, und er hielt vor dem Haus. Einen Moment später hörte ich, wie er unten rief, zuerst Mrs. Kernow und dann mich.
    Ich befestigte langsam den zweiten Clip, nahm meine Hand tasche, dann den Ledermantel. Ich hatte ihn zum Trocknen über einen Stuhl vor dem elektrischen Heizofen gehängt, aber er war immer noch naß. Die Hitze hatte nur bewirkt, daß er noch pene tranter roch – wie ein Spaniel, den man im Regen ausgeführt hatte, und er wog noch genauso bleischwer wie vorhin. Ich nahm ihn über den Arm und ging nach unten.
    „Hallo, wie geht’s.“ Joss stand in der Diele und sah zu mir herauf. „Oh, welch eine Verwandlung. Fühlen Sie sich jetzt bes ser?“
    „Ja.“
    „Geben Sie mir den Mantel…“
    Er nahm den Mantel, um mir hineinzuhelfen, und ließ sich mit einer komischen Grimasse unter der Last in die Knie sinken.
    „Sie können ihn nicht anziehen, er wird Sie zu Boden drücken. Außerdem ist er noch ganz naß.“
    „Ich hab keinen anderen dabei.“
    Den Mantel immer noch im Arm, fing er an zu lachen. Mein Selbstbewußtsein sank auf den Nullpunkt, was sich wohl in mei nem Gesichtsausdruck spiegelte, denn er hörte plötzlich auf zu lachen und rief Mrs. Kernow. Sie kam in die Diele und sah ihn liebevoll und zugleich ungehalten an. Er reichte ihr meinen Man tel, bat sie, ihn für mich zu trocknen, zog seine schwarze Öljacke aus und legte sie mir fürsorglich um die Schultern.
    Er trug darunter einen weichen grauen Pullover und ein Hals tuch. „Jetzt können wir“, sagte er und öffnete die Tür. Es goß immer noch in Strömen.
    „Aber Sie werden ganz naß“, wandte ich ein. Er seufzte. „Wollen wir hier den Rest des Abends stehen und diskutieren, oder gehen wir jetzt?“ Ich rannte los, er auch, und einen Moment später saßen wir im Auto und knallten schnell die Türen zu, um Wind und Regen auszusperren. Einige nasse Stellen auf dem Sitz und dem Boden ließen freilich vermuten, daß das treue kleine Gefährt nicht mehr so wasserdicht war wie in seinen besten Zei ten. Der Motor sprang mit ohrenbetäubendem Scheppern an, und mit all dem Wasser draußen und drinnen kam ich mir vor wie in einem leckgeschlagenen Motorboot.
    „Wohin fahren wir?“ fragte er.
    „Zum Anchor, gleich um die Ecke. Nicht besonders elegant. Macht es Ihnen etwas aus?“
    „Warum sollte es?“
    „Ich dachte nur. Vielleicht wären Sie gern ins Castle gegangen.“
    „Sie meinen, zu der Drei-Mann-Kapelle, um Foxtrott zu tan zen?“
    Er grinste. „Ich kann keinen Foxtrott. Mir hat es nie jemand beigebracht.“
    Wir fuhren die Fish Lane hinunter, bogen um ein paar recht winklige Ecken und fuhren unter einem Torbogen hindurch auf einen kleinen Platz. Ein niedriges altes Gasthaus mit einem neue ren Anbau bildete die eine Seite. Aus kleinen Fenstern und den Türritzen drang anheimelndes Licht, und das Wirtshausschild über dem Eingang schaukelte und quietschte im Wind. Vor dem Haus standen bereits vier oder fünf Autos. Joss bugsierte den Pritschenwagen geschickt in eine schmale Lücke, stellte den Mo tor ab und sagte: „Auf drei rennen wir los. Eins, zwei, drei…“ Wir stiegen aus und stürzten zum schützenden Eingang.
    Joss schüttelte sich kurz, wischte sich Tropfen vom Pullover, nahm mir die Öljacke von den Schultern und machte mir die Tür auf.
    Drinnen war es herrlich warm. Der niedrige Gastraum roch genauso, wie alte Pubs seit undenklichen Zeiten gerochen haben, nach Bier und Pfeifenqualm und modrigem Holz. Es gab eine Theke mit Barhockern; der andere Teil des Raums wurde von Tischen eingenommen. Zwei alte Männer spielten Darts.
    Der Mann hinter der Theke blickte auf und sagte: „Hi, Joss.“ Joss hängte die Öljacke an einen Haken und führte

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