Stürmische Begegnung
hielt.
„Hier ist es.“ Als er den Motor abgestellt hatte, hörte ich den Wind und, über seinem Ächzen, die Geräusche der See. Große Brecher donnerten auf den Strand, und dann ertönte das lange Gurgeln der zurückweichenden Wellen.
„Hören Sie, ich weiß Ihren Namen nicht“, sagte er.
„Rebecca Bayliss. Ich weiß Ihren auch nicht.“
„Joss Gardner… Joss ist eine Kurzform von Jocelyn, nicht Joseph.“ Nachdem er mir diese nützliche Information gegeben hatte, stieg er aus, drückte auf einen Klingelknopf und holte mei nen Rucksack unter der Plane hervor. Als er ihn von der Pritsche nahm, wurde die Tür geöffnet, und ein warmer Lichtschein fiel aus der Türöffnung.
„Joss!“
„Guten Abend, Mrs. Kernow.“
„Was machen Sie hier?“
„Ich bringe Ihnen einen Gast. Ich habe gesagt, Sie seien das beste Hotel in Porthkerris.“
„Oh, meine Güte, eigentlich nehme ich jetzt im Winter keine Gäste. Aber kommen Sie doch rein, was für ein schreckliches Wetter, nicht wahr? Tom ist unten bei der Küstenwache, sie hat ten eine Frühwarnung von Trevose, aber ich weiß nicht, ich habe keine Leuchtraketen gehört…“
Dann waren wir alle im Haus und standen in einer winzigen Diele.
„Kommen Sie ans Feuer… Es ist warm und gemütlich, ich mache Ihnen einen Tee, wenn Sie möchten…“ Wir folgten ihr in ein kleines, vollgestelltes, behagliches Wohnzimmer. Sie kniete sich hin, um das Feuer zu schüren und Kohlen nachzulegen, und ich hatte zum erstenmal Zeit, sie richtig zu betrachten. Ich sah eine kleine, schon recht alte Frau mit Brille, die Hausschuhe trug und eine Kittelschürze über ihrem guten braunen Kleid.
„Wir hätten gern einen Tee“, sagte Joss. „Wir möchten nur wissen, ob Sie Rebecca aufnehmen könnten, für eine Nacht oder vielleicht für zwei.“
Sie richtete sich auf. „Nun ja, ich weiß nicht…“ Zweifelnd sah sie mich an. Mit meinem ramponierten Äußeren und dem nach Hund riechenden Mantel konnte ich es ihr nicht verdenken.
Ich wollte den Mund aufmachen, doch ehe ich ein Wort her vorbringen konnte, kam Joss mir zu Hilfe. „Sie ist sehr brav und wird keine silbernen Löffel stehlen. Ich bürge für sie.“
„Also gut.“ Mrs. Kernow lächelte. „Das Zimmer ist sowieso frei, also kann sie es ruhig haben. Aber ich kann ihr heute abend nichts zu essen geben, ich habe niemanden erwartet und habe nur eine kleine Fleischpastete im Haus.“
„Das macht nichts“, sagte Joss. „Ich sorge schon dafür, daß sie nicht verhungert.“
Ich wollte protestieren, aber er kam mir wieder zuvor. „Ich gehe jetzt, damit sie sich frisch machen und auspacken kann, und ich komme gegen – “ er sah auf seine Uhr – „gegen halb acht wieder und hole sie ab. In Ordnung?“ fragte er beiläufig, in meine Richtung gewandt. „Mrs. Kernow, Sie sind ein Engel, und ich liebe Sie wie eine Mutter.“ Er faßte sie um die Taille und gab ihr einen Kuß. Sie strahlte. Dann sah er mich an, grinste breit, sagte: „Bis dann“ und war fort. Wir hörten, wie der Pritschen wagen die Straße hinunterbrauste.
„Er ist ein lieber Junge“, informierte mich Mrs. Kernow. „Er hat drei Monate hier gewohnt, vielleicht war es auch etwas län ger… Kommen Sie, nehmen Sie Ihre Tasche, ich zeige Ihnen das Zimmer. Es ist jetzt natürlich kalt, aber ich habe einen elektri schen Heizofen, den Sie haben können, und das Wasser im Boiler ist schön heiß, wenn Sie baden wollen… Ich sage immer, man kommt sich ganz schmuddelig vor, wenn man aus diesen schmutzigen Zügen kommt…“
Das Zimmer war genauso winzig wie die anderen Räume des kleinen Hauses, und ein gewaltiges Doppelbett nahm fast den gesamten Platz ein. Aber es war sauber, und es wurde schnell warm, und nachdem Mrs. Kernow mir das Bad gezeigt hatte, ließ sie mich allein und ging nach unten.
Ich kniete mich vor das niedrige Fenster und zog den Vorhang zurück. Die alten Rahmen waren mit Gummikeilen fixiert, damit der Wind nicht durch die Ritzen drang, und der Regen klatschte an die Scheiben. Es gab nichts zu sehen, aber ich kniete noch eine ganze Weile dort und fragte mich, wie ich plötzlich in dieses Puppenhäuschen geraten war und warum das unerwartete Wie derauftauchen von Joss Gardner mir solches Unbehagen berei tete.
4
I ch brauchte einen Panzer. Ich mußte mein Selbstvertrauen stärken und Sicherheit gewinnen, denn ich hatte etwas gegen die Rolle der geretteten Obdachlosen, die mir da aufgezwungen worden war. Ein
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