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Stürmische Begegnung

Stürmische Begegnung

Titel: Stürmische Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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sprach, beim zweiten Satz über alle anderen herzo gen.
    Ich trank den Kaffee aus, stellte die Tasse hin und sagte: „Ich muß jetzt gehen.“
    Joss entschuldigte sich, was ihm offenbar nicht ganz leicht fiel. „Es tut mir leid.“
    „Was?“
    „Daß ich die Beherrschung verloren habe.“
    „Eliot ist mein Cousin.“
    „Ich weiß.“ Er schaute nach unten und drehte die Tasse in der Hand. „Aber ich bin jetzt auch irgendwie mit Boscarva verbun den. Ohne es gewollt zu haben.“
    „Lassen Sie Ihre Vorurteile bitte nicht an mir aus.“ Er sah mich an. „Ich war nicht sauer auf Sie.“
    „Ich weiß.“ Ich stand auf. „Ich muß jetzt wirklich los.“
    „ Ich fahre Sie hin.“
    „Das ist wirklich nicht…“ Aber er hörte nicht auf meinen Protest, sondern nahm einfach meinen Mantel vom Haken und half mir hinein. Ich zog mir die feuchte Wollmütze über die Oh ren und nahm den schweren Korb.
    Das Telefon klingelte.
    Joss, der schon seine Öljacke angezogen hatte, ging hin, um abzunehmen, und ich ging nach unten. Ehe er sich meldete, rief er mir nach: „Rebecca, warten Sie, es dauert nicht lange…“
    Dann sagte er: „Ja? Ja, hier Joss Gardner.“
    Ich trat in den Laden. Es regnete immer noch. Von oben hörte ich Joss reden.
    Aus Langeweile, vielleicht auch aus einer gewissen Neugier heraus, stieß ich die Tür zur Werkstatt auf, knipste das Licht an und ging vier Stufen hinunter. Ich sah das Durcheinander, das ich halbwegs erwartet hatte, Werkbänke, Späne, Holzstücke, Werkzeuge, Schraubzwingen, und es roch nach Leim, frischem Holz und Möbelpolitur. In einer Ecke standen ein paar alte Möbel herum, so verstaubt und ramponiert, daß ich nicht sagen konnte, ob sie irgendeinen Wert hatten. Eine Kommode, an der alle Griffe fehlten, ein Nachttisch, an dem ein Bein fehlte.
    Und dann sah ich sie, ganz hinten im Raum. Einen Davenport, offenbar in hervorragendem Zustand, und daneben einen Stuhl im Stil des chinesischen Chippendale, mit einem Tapisseriebezug mit Blumenmuster.
    Mir wurde richtig übel, als hätte ich einen Tritt in den Magen bekommen. Ich drehte mich, ging wieder hinauf, machte das Licht aus, schloß die Tür und trat mit meinem Korb hinaus in den Regensturm dieses abscheulichen Februartags.
    Da drin herrscht jetzt ein furchtbares Durcheinander. Ich werd sie Ihnen ein andermal zeigen.
    Ich lief los und merkte, daß ich in Richtung der Kirche ging, durch ein Gewirr kleiner Gassen, wo er mich niemals finden würde. Ich eilte mit dem Korb, der mir bleischwer vorkam, hü gelan, mein Herz hämmerte furchtbar, und in meinem Mund war der Geschmack von Blut.
    Eliot hatte recht gehabt. Es war einfach zu leicht für Joss gewe sen, und er hatte die Chance genutzt. Es war mein Sekretär. Er hatte meinen Sekretär gestohlen, aber er hatte ihn aus Grenvilles Haus gestohlen und das Vertrauen des freundlichen alten Man nes furchtbar mißbraucht.
    In diesem Moment hätte ich Joss umbringen können. Ich sagte mir, daß ich nie wieder mit ihm reden, seine Nähe nie wieder ertragen könnte. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so zornig gewesen. Auf ihn, vor allem aber auf mich selbst, weil ich auf seinen oberflächlichen Charme hereingefallen war, weil ich mich so grundlegend geirrt hatte. Ich war noch nie so zornig gewesen.
    Ich schleppte mich den Hang hinauf.
    Aber wenn ich so zornig war, warum weinte ich dann?

10
     
     
     
    D er Heimweg nach Boscarva war lang und anstrengend. Heftige Gefühlsstürme hatten bei mir noch nie länger als zehn Minuten angedauert, und während ich mich durch den peitschenden Regen nach oben kämpfte, beru higte ich mich langsam, wischte mit dem Handschuh die Tränen ab und riß mich zusammen. Selbst in einer scheinbar unerträg lichen Situation gibt es immer etwas, das man tun kann, und lange bevor ich Boscarva erreichte, hatte ich beschlossen, was ich tun würde. Ich würde nach London zurückfahren.
    Ich stellte den Korb auf den Küchentisch, ging nach oben auf mein Zimmer, zog mich um, wusch mir das Gesicht und flocht meinen Zopf neu. Dann, äußerlich wiederhergestellt und ganz ruhig, suchte ich Grenville und fand ihn in seinem Arbeitszim mer. Er saß am brennenden Kamin und las die Morgenzeitung.
    Er ließ sie sinken und sah mich über ihren Rand hinweg an, als ich das Zimmer betrat.
    „Rebecca.“
    „Hallo. Wie geht es Ihnen heute morgen?“ Ich redete gewollt munter, wie eine nervende Krankenschwester.
    „Es zwickt und zieht überall. Der Wind bringt einen um, selbst

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