Stürmische Begegnung
hatte ihn schon in jeder erdenklichen inneren Verfassung erlebt. Ich wußte, er konnte sehr charmant sein, stur, zornig und ausgesprochen rüde. Es war nicht weiter schwer, sich ihn als rücksichtslosen und lei denschaftlichen Liebhaber vorzustellen, aber es war unange nehm, sich ihn mit Andrea zusammen vorzustellen.
Er sah plötzlich auf und begegnete meinem Blick. Ich war ver legen, weil ich fürchtete, er würde meine Gedanken erraten. „Bei schönem Wetter muß die Aussicht sehr hübsch sein“, sagte ich hastig, um uns beide abzulenken.
„Ja, man kann bis zum Leuchtturm sehen.“
„Im Sommer muß es sein wie im Süden.“
„Im Sommer ist es wie die U-Bahnstation Piccadilly Circus zur Hauptverkehrszeit. Aber das dauert nur zwei Monate.“ Er kam mit dem Tablett, auf dem dampfende Tassen, die Zucker dose und die Milchkanne standen, hinter dem Tresen hervor. Der Kaffee roch köstlich. Er zog mit dem Fuß einen langen Sche mel heran, stellte das Tablett auf das eine Ende und setzte sich auf das andere. So saßen wir uns gegenüber.
„Ich möchte mehr von gestern hören“, sagte er. „Wohin sind Sie noch gefahren, ich meine, außer nach Falmouth?“
Ich erzählte von St. Endon und dem kleinen Pub am Wasser.
„Ja, ich hab davon gehört, aber ich bin noch nie dagewesen. War das Essen gut?“
„Ja, sehr gut. Und es war so warm, daß wir draußen in der Sonne gesessen haben.“
„Das ist die südliche Küste. Und was ist dann passiert?“
„ Nichts. Wir sind nach Haus gefahren.“
Er reichte mir eine Tasse. „Hat Eliot Ihnen High Cross ge zeigt?“
„Ja.“
„Haben Sie die Werkstatt gesehen?“
„Ja. Und Mollies Haus.“
„Wie fanden Sie all die aufgemotzten Wagen?“
„Sie waren sehr schick. Was Sie mit aufgemotzt meinen, verstehe ich nicht.“
„Haben Sie einen von den Jungs getroffen, die für ihn arbei ten?“
Er fragte so beiläufig, daß ich auf der Hut war.
„Wen zum Beispiel?“
„ Morris Tatcombe?“
„Joss, Sie haben mich nicht hierher eingeladen, um Kaffee mit mir zu trinken. Sie wollen mich aushorchen.“
„Nein, Ehrenwort. Ich hab mich nur gefragt, ob Morris vielleicht für Eliot arbeitet.“
„Was wissen Sie über ihn?“
„Nur daß er ein mieser Kerl ist.“
„Er ist ein guter Mechaniker.“
„Ja, das stimmt. Alle wissen es, und es ist seine einzige gute Seite. Aber er ist kriminell und hinterhältig.“
„Wenn er kriminell ist, warum ist er dann nicht im Gefäng nis?“
„Er war da. Er ist gerade erst rausgekommen.“
Das nahm mir den Wind aus den Segeln, aber ich kämpfte tap fer weiter und klang dabei selbstsicherer, als ich war.
„Und wie wollen Sie wissen, daß er hinterhältig ist?“
„Weil er eines Abends im Pub Streit mit mir anfing. Wir gin gen nach draußen, ich gab ihm eins auf die Nase, und es war ein Glück, daß ich ihn zuerst traf, denn er hatte ein Messer dabei.“
„ Warum erzählen Sie mir das alles?“
„Weil Sie gefragt haben. Wenn Sie nicht wollen, daß man Ih nen etwas erzählt, sollten Sie keine Fragen stellen.“
„Und was soll ich jetzt tun?“
„Nichts. Gar nichts. Tut mir leid, daß ich davon angefangen habe. Ich hatte nur gehört, daß Eliot ihm einen Job gegeben hat, und hoffte, daß es nicht stimmt.“
„Sie mögen Eliot nicht, stimmt’s?“
„Ja und nein. Ich habe nichts mit ihm zu schaffen. Aber ich will Ihnen was sagen. Er sucht sich ziemlich üble Freunde aus.“
„Sie meinen Ernest Padlow?“
Joss blickte mich mit kaum verhohlener Bewunderung an. „Sie verschwenden nicht viel Zeit, das muß man Ihnen lassen. Sie scheinen schon alles zu wissen.“
„Ich kenne Ernest Padlow nur, weil ich ihn am ersten Abend zusammen mit Eliot im Anchor gesehen habe, als Sie mich zum Essen eingeladen hatten.“
„Aha. Ja, er ist auch ein unangenehmer Zeitgenosse. Wenn er könnte, wie er wollte, wäre ganz Porthkerris schon zu Park plätzen planiert. Es würde kein einziges Haus mehr stehen. Und wir würden alle nach oben auf den Hügel ziehen müssen, in seine kleinen Talmihäuser, die in zehn Jahren Risse in den Wänden haben werden und undichte Dächer und feuchte Kel ler. Diese Bruchbuden.“
Ich reagierte nicht auf seinen Ausbruch. Ich trank meinen Kaffee und dachte, wie schön es doch wäre, mich ein bißchen mit jemandem zu unterhalten, ohne sofort in persönliche Res sentiments und Fehden hineingezogen zu werden, die nichts mit mir zu tun hatten. Ich hatte es satt, daß sämtliche Leute, mit denen ich
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