Stürmische Eroberung
befreundet."
"Zumeist? Also gibst du zu, dass sie manchmal allein hinausgeht! So wird sie noch zum leichten Opfer für jeden Sittenstrolch! Und was war mit dem Kuss?"
Arabella seufzte. "Ach, der war doch vollkommen harmlos. Der Junge, von dem du sprichst, heißt James Lowther und ist gerade einmal vierzehn Jahre alt. Seine Mutter ist eine enge Freundin von Tante Julia. Der Kleine betet Prudence an und liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Er kam her, um ihr einige Pflanzen aus dem Garten seiner Familie zu bringen – zum Lohn küsste sie ihn auf die Wange. Das war schon alles. Falls Molly dir von leidenschaftlichen Zärtlichkeiten berichtet haben sollte, war das eine schlichte Lüge."
Mit ungläubiger Miene betrachtete er die Schwester. "Dennoch sollte Prudence vorsichtiger sein, mit derlei Zuneigungsbekundungen."
"Sie ist kein kleines Flittchen, Thomas, sondern einfach nur lebenslustig und besitzt ein quirliges Temperament. Falls ihr Wesen nicht deinen Erwartungen entspricht, tut mir das Leid. Zumindest habe ich alles mir Mögliche getan", erklärte Arabella verärgert. Die Vorwürfe des Bruders erregten ihren Zorn. Als ob sie vollkommen gewissenlos vorgegangen wäre bei Prudence' Erziehung und Beaufsichtigung! "Für keinen von uns waren die letzten neun Jahre besonders leicht. Nun, wie dem auch sei, du kennst ja Prudence' Liebe zum Gärtnern – darüber war ich stets froh. Wenn sie Unkraut jätet, kann sie wenigstens keinen Unsinn anstellen."
"Verzeih mir, Arabella", bat Thomas reumütig, als er bemerkte, wie wütend er sie gemacht hatte. "Ich habe mich vielleicht ein wenig im Ton vergriffen, dennoch muss sich etwas ändern, und zwar schleunigst. Hat Prudence Verehrer?"
"Nein, obwohl die Männer kaum die Augen von ihr wenden können, wo immer sie auch auftaucht. Aber glücklicherweise ist ihr dies überhaupt nicht bewusst. Nur ich mache mir ständig Sorgen deshalb. Jeder junge Mann Londons hat sich wohl schon nach ihr umgedreht. Aber der Hartnäckigste ist sicher Will Price."
Thomas kniff die Augen zusammen. "Will Price?"
"Er arbeitet für Mr. Rowan in der Gärtnerei. Prudence ist oft da, um neue Pflanzen zu kaufen und sich den einen oder anderen Rat zu holen. Es ist kaum zu übersehen, wie sehr sie Will gefällt."
"Genauso wie Lucas", erklärte Thomas grimmig, aber auch amüsiert, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und runzelte nachdenklich die Stirn. "Wir werden bald ausschließlich damit beschäftigt sein, die Jungfräulichkeit unserer kleinen Schwester zu bewachen, Arabella. Sie muss schleunigst heiraten."
"Eine Ehe wäre bestimmt nicht die rechte Lösung", entgegnete sie schnell. "Dafür ist Prudence noch nicht reif genug."
Er lächelte, seine Augen aber blieben ernst. "Wenn Adam noch frei wäre, würde sie darüber zweifellos ganz anders denken."
"Du … weißt also davon. Ich selbst hatte bis gestern Vormittag nicht die leiseste Ahnung von dieser Verliebtheit. Prudence hat mir kein Sterbenswörtchen verraten."
"Wirklich eine Schande. Adam hätte einen standesgemäßen Gemahl für sie abgegeben, wenn er vielleicht auch ein wenig still, ja sogar steif ist. Nun ja, Lucy ist ein liebes und zurückhaltendes Mädchen und wird ihm sicherlich eine gute Frau sein. Vielleicht wäre unsere Prudence doch zu temperamentvoll für ihn. Wahrscheinlich würde er sie bald langweilen. Sie braucht einen Mann, der eine beruhigende Wirkung auf sie ausübt und sie fest durchs Leben führt." Thomas zögerte kurz und fügte dann hinzu: "Ein älterer Mann, der ihr den Unfug nicht durchgehen lässt."
Arabella schüttelte den Kopf. "Ich will gar nicht abstreiten, dass ich froh bin, die Verantwortung für Prudence jetzt in deine Hände legen zu dürfen, Thomas. Dennoch kann ich dir in diesem Punkt nicht zustimmen. Sie ist ein freier Geist, und ein Mann, wie du ihn beschreibst, würde ihren Willen brechen. Solltest du sie in eine solche Ehe zwingen, wirfst du sie gleichsam in ein dunkles Verlies. Es wäre grausam, und die möglichen Folgen wage ich mir nicht einmal auszumalen."
Thomas nickte. "Ich verstehe, was du sagen willst, Arabella. Keinesfalls werde ich Prudence zu einer Verbindung zwingen, die für sie unerträglich wäre. Aber früher oder später wird sie heiraten müssen. Insbesondere da du schon bald mit Robert vor den Altar trittst und Verity bei uns auf Willow House leben wird." Bei dem Gedanken an die Gemahlin seufzte er leise. "Ich zweifle nicht daran, dass ihr beiden einander mögen werdet,
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