Stürmische Eroberung
behältst du einmal Recht, Will Price. Wenn du tatsächlich angenommen hast, ich könnte mich einem Kerl wie dir hingeben, bist du wahrlich noch beschränkter, als ich ohnehin annahm. Und jetzt lass mich los und geh mir aus dem Weg." Prudence glaubte nicht, dass er ihr wehtun würde, doch das war ein böser Irrtum.
Will kniff die Augen zusammen, sein Gesicht war gerötet, und der Atem ging stoßweise. "Hinter all dieser Vornehmtuerei bist du nichts als eine gewöhnliche Hure." Er war jetzt ganz von seinen dunklen Begierden bestimmt, zog sie brutal an die Brust und verdrehte ihr den Arm.
Trotz der Schmerzen versuchte sie sich freizukämpfen. Ihr schien plötzlich, als hätte sich eine nie gekannte Stärke in ihr ausgebreitet. Ungezügelt ließ sie der lodernden Wut freien Lauf.
Da sie eine Frau war und noch dazu klein von Statur, unterschätzte Will ihre Kräfte. Als er sie küssen wollte, biss sie ihm heftig in die Lippe. Mit einem überraschten Aufschrei zog er den Kopf zurück. Er schmeckte Blut. Gerade wollte er es sich von der Lippe wischen, da schlug Prudence ihm die Faust hart gegen das Kinn.
"Du Schurke! Teufel!" schrie sie voll heißem Zorn. "Glaubst du wirklich, ich bin so leicht zu haben, Will Price? Wenn ich ein Mann wäre, würde ich dich auspeitschen. Aber auch so werde ich dir schon beibringen, nicht durch London zu laufen und unschuldige Frauen zu belästigen!"
"Hätten Sie wohl die Freundlichkeit, mir zu sagen, was hier vor sich geht?" drang in diesem Augenblick eine scharfe Stimme vom Hoftor herüber.
Erstaunt ließ Will die Arme sinken und blickte ebenso überrascht wie Prudence hinüber zum Tor. Dort stand der große muskulöse Lord Fox, der nun näher kam und beide mit Blicken der Verachtung bedachte. Einige Schritte von dem Paar entfernt blieb er stehen und betrachtete die Szene, die sich ihm hier bot. Prudence' Wutschrei und der Schlag, den sie diesem Kerl verpasst hatte, ließen kaum Zweifel zu. Die Annäherungsversuche des blonden Kraftprotzes waren unerwünscht.
"Sie sind wer?" fragte Lucas knapp.
"Will Price", brummte er. "Ich arbeite für Mr. Rowan."
"Und wo hält der Herr sich derzeit auf?"
"Er ist nicht hier im Augenblick."
"Wie schön für Sie, nicht wahr?" Lucas lächelte, doch das Grau in seinen Augen glitzerte wie Eis. "Zweifellos wird dein Herr manch bessere Beschäftigung für dich wissen, als seine Kundschaft zu belästigen. Wenn du nicht allzu erpicht darauf bist, vor den Heiligen Petrus zu treten, schlage ich vor, die junge Dame nie wieder anzufassen", warnte er Price scharf. "Sir Thomas Fairworthy hätte sicherlich wenig Verständnis dafür, wenn du dich an seiner Schwester vergehst."
Will zitterte. Mit dem in jeder Beziehung überlegenen Fox konnte er es nicht aufnehmen. Doch ausgerechnet deshalb in seiner Männlichkeit gekränkt zu werden, weil er sein Verlangen nach Prudence Fairworthy nicht zu unterdrücken vermochte, war mehr, als er ertragen konnte. Drohend richtete er sich auf. "Was geht Sie das an?" knurrte er.
"Zufälligerweise bin ich ein enger Freund der Familie. Ich werde nicht nur Sir Thomas von deinem Benehmen in Kenntnis setzen, sondern auch deinen Herrn. Er wird dich zweifellos entlassen." Lucas wandte den Blick kurz Prudence zu, deren Wangen in Flammen zu stehen schien. "Sind Sie wohlauf?"
"Er hat mich nicht ernstlich verletzt, falls Sie das wissen wollten", antwortete sie schroff. Himmel, warum musste von all den vielen Menschen auf der Welt ausgerechnet Lord Fox ihre Demütigung mit ansehen? Am liebsten wäre sie vor Scham gestorben. Andererseits hatte er ihr ja gestern selbst einen Kuss aufgezwungen, als wäre sie nichts als ein gewöhnliches Freudenmädchen.
"Es dürfte wohl offensichtlich sein, dass deine amourösen Anbiederungsversuche Miss Fairworthy unangenehm sind", erklärte Fox an Will gewandt. "Am besten entschuldigst du dich auf der Stelle bei ihr."
Verächtlich lachte Will auf. "Eher lass ich mir bei lebendigem Leib die Zunge herausschneiden, bevor ich das Flittchen auch noch um Verzeihung bitte."
Zornig machte Prudence einen Schritt auf Price zu. "Wie hast du mich genannt? Du, du …!" rief sie aufgebracht, aber ein strenger Blick von Lucas brachte sie zum Schweigen.
"Vielleicht hast du mich eben nicht recht verstanden", erklärte der nun kalt. "Eine Entschuldigung bei der Dame scheint mir durchaus angemessen."
Will sah sein Gegenüber mit funkelndem Blick an und ließ eine ganze Reihe der lästerlichsten Flüche hören.
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