Stürmische Eroberung
Prudence wusste, dass er Fox niemals gehorchen würde, und zog sich von ihrem Angreifer zurück.
"Lassen wir es dabei", erklärte sie bestimmt und legte Lucas die Hand auf den Arm, weil sie glaubte, er würde Will schlagen. "Es war seine eigene Dummheit, die ihn in diese Lage gebracht hat. Das soll uns reichen."
Lucas trat widerwillig zurück und musterte Prudence, aus deren Augen noch immer Flammen des gerechten Zorns zu schlagen schienen.
"Wollen Sie es jetzt tatsächlich dabei belassen, obwohl der Mann Ihnen fast Gewalt angetan hätte?" fragte Fox ungläubig.
"Das kann Ihnen doch ganz egal sein", gab sie ärgerlich zurück. "Oder wollen Sie Rache nehmen, um meine Ehre zu verteidigen? Ich denke doch wohl nicht. Daraus kann nur weiterer Ärger entstehen."
Sie sah zu Will hinüber. Seine Familie lebte unter entsetzlichen Bedingungen, wie sie genau wusste. Seine Mutter wohnte mit den fünf Kindern zusammengepfercht in einem winzigen Zimmer im heruntergekommenen Stadtteil Ludgate. Seit vor einem halben Jahr der gewalttätige Vater gestorben war, hatte Will die Rolle des Ernährers übernommen. Falls Mr. Rowan erfuhr, wie Will sie gerade in der Gärtnerei angegriffen hatte, würde er seine Stellung verlieren. Dann stand die Familie Price auf der Straße und müsste betteln gehen. Und das wollte Prudence auf jeden Fall vermeiden. Um keinen Preis wollte sie daran schuld sein.
"Ich werde Molly schreiben, dass ich leider nicht mehr herkommen kann, weil ich mit meinen Geschwistern nach Marlden Green zurückkehre. Um deiner Familie keinen Schaden zuzufügen, werde ich Mr. Rowan nichts davon sagen, was heute geschehen ist. Es war dumm von dir, doch die Leidenschaft lässt wohl manchen Mann alles vergessen. Aber glaub mir, Will Price, solltest du jemals wieder versuchen, mir zu nahe zu kommen, wirst du es bereuen. Das schwöre ich dir!"
"Sie sind viel zu gutmütig", erklärte Lucas spöttisch, zuckte dann aber mit den Schultern. Er sah Will an und ballte die Hände zu Fäusten. Vor gar nicht allzu langer Zeit hätte er nicht im Traum daran gedacht, einen solchen Schurken so einfach entkommen zu lassen, sondern hätte kurzen Prozess mit ihm gemacht. Aber in den letzten Jahren war er ruhiger, ja vielleicht sogar weiser geworden, als er sich dies in seiner Jugend vorzustellen vermocht hätte.
"Die junge Dame besitzt ein viel zu weiches Herz. Dafür solltest du deinem Schicksal danken." Er machte eine auffordernde Handbewegung. "Wenn Sie mir jetzt bitte folgen würden, Miss Fairworthy."
Prudence, die immer noch empört wirkte, folgte ihm hinaus auf die Straße.
Will blieb allein zurück, sah den beiden nach und dürstete nach Rache. Am liebsten hätte er den arroganten Lord Fox zusammengeschlagen und ihm die junge Frau weggerissen. So wäre es zumindest jedem Mann seines eigenen Standes ergangen, der es wagte, Will Price zu demütigen! Doch die blutige, geschwollene Lippe ließ ihn zögern. Er runzelte die Stirn. Nein, er wollte die Sache erst einmal auf sich beruhen lassen, aber sollte sich in Zukunft die Gelegenheit ergeben, würde er den beiden schon zeigen, dass mit ihm nicht zu spaßen war!
Unmittelbar neben dem Holztor zur Gärtnerei stand ein Mann dicht an die Mauer gepresst. Er wirkte wie eine lauernde Raubkatze auf Beutefang, als er Prudence und Lucas beobachtete, wie sie zusammen davongingen. Er folgte ihnen in einigem Abstand durch die schmale, übel riechende Gasse, in die kaum mehr als ein fahles Licht drang. Mit einem hässlichen Lächeln auf den Lippen schlich er hinter ihnen her und verbarg sich immer wieder in Türeingängen, bevor er wieder hinaus auf die Gasse trat. Das Paar hatte offensichtlich nicht die leiseste Ahnung, dass ihnen eine schattenhafte Gestalt folgte. Erst als sie den Strand erreichten, wandte der Fremde sich um und machte sich auf den Weg zurück zur Gärtnerei und Will Price.
4. Kapitel
Hochmütig hob Prudence den Kopf und schenkte Lucas einen missmutigen Blick. Ihr Retter führte einen Schritt hinter ihr das Pferd am Zügel.
"Was suchten Sie nur, um alles in der Welt, in der Gärtnerei, Lord Fox? Entweder sind Sie mir gefolgt, oder Pflanzen müssen Ihre heimliche Leidenschaft sein. Aber es steht wohl eher zu vermuten, dass Sie meinetwegen dort herumschlichen."
Teufel auch, dachte Lucas ungläubig, diese Frau unterstellt mir doch wohl nicht ernsthaft, ich würde ihr hinterherschnüffeln? "Wenn Sie es wünschen, werde ich künftig gern mein Erscheinen von einem Trommler
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