Stürmische Eskapaden - Lady in Waiting (Featherton 2)
Luft mehr. Schweißperlen traten auf ihre Stirn, vor ihren Augen wurde alles schwarz, und dann fühlte sie mit einem Mal, wie sie fiel.
Sie schwankte hin und her, beinahe wie ein Kind in einer Wiege.
»Jenny«, säuselte eine Stimme irgendwo außerhalb ihres Bewusstseins. »Wach auf, Liebes. Du hast es fast geschafft. Mach einfach deine Augen auf.«
Die Stimme war so freundlich und tröstend, dass sie gehorchte und ihre bleischweren Lider aufschlug.
Drei riesige Gesichter schwebten nur Zentimeter über dem ihren: die Ladys Letitia und Viola und Meredith.
»W-wo bin ich?«, fragte Jenny, als ihr Verstand sich einen Weg durch den dichten Nebel in ihrem Kopf bahnte.
Es war Meredith, die antwortete. »Wir sind in der Kutsche, auf dem Heimweg. Geht es dir besser? Denn du siehst nicht so aus. Du bist so weiß wie das Eis auf dem Kanal.«
»Das reicht jetzt, Meredith«, rügte Lady Viola. »Lass Jenny erst einmal ein wenig frische Luft atmen. So ist’s gut.« Erst jetzt erkannte Jenny, dass ihr Kopf auf dem Schoß ihrer Ladyschaft ruhte.
Sie fuhr abrupt auf. »Ich bitte um Verzeihung, Mylady.«
Lady Letitia lachte. »Aber wofür denn? Viola hat den Lakaien angewiesen, dich genau so hinzulegen.«
»Ich stehe tief in deiner Schuld, Kind. Wenn du nicht Alarm geschlagen hättest, dann hätte man mich aus dem Ballsaal gelockt und gewiss niedergeschlagen und ausgeraubt.«
Schreckliche verschwommene Erinnerungen trieben an die Oberfläche wie tote Fische in einem Teich, während Jennys Kopf langsam wieder klar wurde. Dann ergriff ein einzelner Gedanke von ihrem Verstand Besitz und verdrängte alle anderen - » Callum .«
Die beiden alten Damen tauschten enttäuschte Blicke aus.
Lady Letitia tätschelte beschwichtigend ihre Hand. »Nun, wie du dich vielleicht erinnerst, war die Enthüllung deiner Identität ein ziemlicher Schlag für ihn. Einen Moment lang befürchtete ich schon, er würde ebenfalls in Ohnmacht fallen.«
Jenny war über diese Neuigkeit zutiefst bestürzt.
»Mach dir keine Sorgen, Liebes. Er ist wohlauf«, versicherte Lady Viola ihr tröstend. »Obgleich er, sobald wir dich in der Kutsche hatten, ohne ein Wort aus dem Ballsaal gestürmt und davongeeilt ist. Vermutlich in Richtung Laura Place.«
Jenny sah zu Meredith, die schweigend dasaß und mit der Schulter immer wieder gegen die Innenwand des Wagens
schlug, während die Kutsche rumpelnd und schaukelnd zum Royal Crescent holperte. »Oh, Miss Meredith«, begann Jenny. »Es tut mir so leid, dass ich Ihnen Ihren Ball mit einem Skandal verdorben habe. Werden Sie mir je verzeihen können?«
»Verdorben?« Meredith schaute verwirrt drein. »Was redest du denn da? Mein Ball war verdammt noch mal wunderbar!«
Lady Letitia sah sie tadelnd an. »Deine Ausdrucksweise, Meredith!«
»Tut mir leid, Tantchen, aber Himmel, ich hatte in meinem ganzen Leben noch keinen so aufregenden Abend.« Meredith grinste spitzbübisch. »Wenn alle Bälle so sind wie meiner, dann will ich um keinen Preis auch nur einen davon verpassen.«
»Die Frage ist, was sollen wir nun tun, um die Kluft zu überwinden, die sich zwischen unseren beiden Liebenden aufgetan hat«, stellte Lady Letitia in den Raum.
Jenny wartete, in der Hoffnung, dass jemand eine Antwort hatte, doch stattdessen senkte sich lastende Stille in der Kutsche herab. Jenny wurde von Verzweiflung übermannt.
Was hatte sie denn gedacht? Es gab nichts, was die Featherton-Ladys tun konnten.
Niemand konnte etwas tun.
Sie hatte Callum verloren … für immer.
»Du gemeine Kuh!«
Nach dem fahlen Licht zu urteilen, das in ihre Kammer fiel, war die Sonne gerade erst aufgegangen, als Jenny ihre Augen aufschlug und die Küchenmagd über sich aufragen sah.
»Raus hier, Erma«, raunzte Jenny. »Ich habe eine schreckliche Nacht hinter mir und will nicht den neuen Tag damit beginnen, mich mit einer weiteren Diebin herumzuschlagen!«
Erma reckte ihr etwas entgegen, und Jenny sah, dass es die
Morgenzeitung war. »Die Köchin hat es mir alles vorgelesen, und als sie damit fertig war, ist Mr. Bartleby vorbeigekommen, um mir zu sagen, dass er von nun an nur mit dir Geschäfte machen würde - und mit niemand sonst.«
Jenny riss Erma die Zeitung aus der Hand und überflog eilig Hercules Klatschkolumne. Er hatte sogar ihr Bestellsystem erwähnt. Sie sah Erma an. »Alles in der Kolumne entspricht der Wahrheit. Warum also willst du dich mit mir streiten? Schließlich bin ich die Geschädigte.«
Erma blitzte sie wütend
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