Stürmische Eskapaden - Lady in Waiting (Featherton 2)
wurde sie nachdenklich, als sich ihr eine wichtige Frage aufdrängte. »Warum tun Sie das für mich?«
Der kleine Mann reichte ihr seine Hand, und sie ergriff sie und ließ sich von ihm zu einer Reihe von leeren Stühlen führen, die an der Wand aufgestellt waren.
Hercule legte sich mit der Brust auf den Sitz und schwang seinen Fuß hoch, um sich auf den Stuhl zu ziehen. Dann klopfte er auf den Stuhl neben sich, um Jenny einzuladen, sich zu ihm zu setzen. Sie tat es.
»Weil Sie mich, obgleich ich schmutzig war und zerschlissene Kleider trug - eine Aufmachung, die ich oft benutze, um von den vornehmen Leuten nicht bemerkt zu werden -, freundlich behandelt haben. Sie haben mich wie einen Mann behandelt. Nicht wie einen kleinen Mann, sondern wie einen richtigen Mann. Sie haben sich mit mir unterhalten, Sie
haben sich von mir nach Hause begleiten lassen, dann haben Sie mich ins Haus eingeladen und mir Tee angeboten. Ich weiß nicht, warum Sie es getan haben, aber es spielt auch keine Rolle. Zum ersten Mal seit vielen Jahren hat jemand den Mann in diesem kleinen, verwachsenen Körper gesehen. Und dafür«, er senkte seine Stimme zu einem Flüstern, »bin ich Ihnen dankbar, Miss Penny.«
Wieder sprangen Jenny Tränen in die Augen, und sie drückte Hercule an ihre Brust.
»Na, na, sehen Sie sich vor, Miss. Oder Sie finden noch heraus, wie viel von einem richtigen Mann ich an mir habe.«
Als sie abrupt von ihm zurückwich, schenkte er ihr ein schelmisch anzügliches Grinsen, und sie lachte. Plötzlich fühlte sie einen groben Knuff in ihrem Rücken, der sie nach vorn schubste. Sie drehte sich um und sah Meredith, die gerade von einem Stuhl neben ihr aufstand. Bis zu diesem Moment hatte Jenny nicht bemerkt, dass das Mädchen in der Nähe war.
Meredith hatte gewiss jedes Wort gehört, denn während sie quer über die Tanzfläche davonging, schrieb sie eifrig die kecken Worte des kleinen Mannes in ihr Notizbuch.
Als Jenny ihre Aufmerksamkeit wieder Hercule zuwandte, sah sie, dass er die Opalbrosche anschaute, die sie trug. Er studierte das Schmuckstück sehr eingehend.
Seine Stirn legte sich kurz in Falten. »Wo haben Sie die her?«, fragte er und sah sie dabei forschend an.
»Es war ein Geschenk von meinem Vater, als ich noch ein Kind war.«
»Ein Geschenk, sagen Sie? Dürfte ich nach dem Namen Ihres Vaters fragen?«
»Sie dürfen gern fragen, aber ich kann Ihnen nicht antworten.« Jenny zuckte mit den Achseln. »Meine Mutter hat mir seinen Namen nie verraten.«
Sein Blick wanderte wieder zu der Brosche, und seine Augen
verengten sich leicht. »Darf ich?«, fragte er und langte nach der Opalbrosche.
»Wie seltsam Sie meine Brosche ansehen. Ist sie Ihnen vertraut? Haben Sie vielleicht schon einmal eine ähnliche gesehen?«
Hercule ließ die Brosche los und sah Jenny mit einem geistesabwesenden Lächeln an. »Vielleicht.« Er atmete tief durch. »Sie ist sehr hübsch. Passen Sie heute Abend gut darauf auf.«
»Ich soll darauf aufpassen?«
Hercule ließ seinen Blick durch den Saal schweifen, bis er fand, wonach er suchte. »Schauen Sie dort drüben. Die Frau und die beiden Männer.«
Jenny folgte seinem Blick. Zu ihrer Überraschung schaute sie schnurgerade auf die Frau in Rot - die sie zuerst im Kurhaus und dann bei Bartleby’s gesehen hatte -, zusammen mit ihren beiden herausgeputzten Begleitern.
»Ja, die drei habe ich schon mal gesehen. Irgendetwas an ihnen stimmt nicht. Sie … sie gehören nicht dazu.«
»Sehr gut bemerkt, Miss Penny. Ich habe schon länger ein Auge auf sie. Ich glaube, sie sind die Bande, die für die Diebstähle in Bath in den vergangenen Wochen verantwortlich ist. Aber bislang war ich nicht imstande, es zu beweisen.«
»Ich werde mich vor ihnen in Acht nehmen. Das verspreche ich Ihnen.«
Hercule tätschelte ihre Hand. »Vergessen Sie sie für den Moment. Gehen Sie wieder zu Ihrem Verlobten zurück. Ich sehe, dass er bereits ungeduldig auf Sie wartet.«
Jenny schaute auf und erwiderte kurz Callums liebevollen Blick. Sie lächelte und winkte unauffällig.
Obgleich es schwierig wäre, die Bande, die im Ballsaal auf Diebeszug war, gänzlich zu vergessen, beschäftigten Jenny doch wichtigere Dinge.
Sie stand auf. »Vielen Dank, Mr. Lestrange, für alles.«
»Und ich danke Ihnen, mein blanker Penny. Bis zum nächsten Mal.« Hercule Lestrange neigte manierlich seinen Kopf.
Jenny schenkte dem ebenso sonderbaren wie wunderbaren Mann ein letztes Lächeln, dann ging sie einige Schritte,
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