Stürmische Eskapaden - Lady in Waiting (Featherton 2)
einzugestehen, was sie so lange nicht hatte wahrhaben wollten.
Sie bedachte Annie mit einem mürrischen Blick, denn sie
wollte mit niemandem über ihren Zustand reden. Es war das Beste, so lange wie möglich Stillschweigen zu bewahren, damit es ihrem Cremehandel nicht schadete. Denn jetzt, wo ein Kind unterwegs war, brauchte sie mehr denn je zuvor jeden Shilling, den sie verdienen konnte.
Annie hatte sich gerade an den langen Holztisch gesetzt, als Jenny sich einen Hocker heranzog und sich zum ersten Mal an diesem Abend eine Ruhepause gönnte. Sie sah Annie fragend an. »Was machst du denn überhaupt noch so spät hier? Solltest du nicht selbst auf dem Weg ins Bett sein?«
»So spät ist es nun auch wieder nicht, und außerdem habe ich Neuigkeiten, die dich vielleicht aufmuntern.« Annie sah sie mit großen Augen an und kaute aufgeregt an ihrer Unterlippe.
»Was? Ist ein neuer Diener nach Bath gekommen?« Jenny grinste und zog erwartungsvoll ihre Augenbrauen hoch.
» Besser . Und du wirst mir danken, Jenny Penny.« Sie machte eine weitere Pause, bis Jennys Neugier so angestachelt war, dass sie ihre Freundin am liebsten geschüttelt hätte, um die Neuigkeit zu erfahren.
»Nun, am nächsten Samstag haben du und ich eine Verabredung mit Mr. Malcolm Lewis.«
Jenny starrte Annie nur verständnislos an. »Der Name sagt mir nichts. Warum sollte ich mich mit diesem Burschen treffen wollen?«
»Weil ihm der leer stehende Laden in der Milsom Street gehört, mein Herzblatt. Wir haben vor einiger Zeit durch das Schaufenster geguckt.«
Ja, sie erinnerte sich an jenen Tag, aber bei Gott, jene glücklicheren Tage schienen Jahre zurück zu liegen. »Eine Verabredung, sagst du?«
»Bei all den Bestellungen, die du von den gewöhnlichen Leuten erhältst, hast du doch gewiss das Geld beisammen, um
den Laden zu mieten, oder zumindest wirst du es bald haben, schätze ich.« Annie starrte Jenny geduldig an, so als warte sie auf irgendeine Reaktion.
Dann geschah es. Der Trübsinn, der sie die vergangenen zwei Wochen wie ein Wollmantel eingehüllt hatte, begann sich zu lüften. Erregung keimte in ihr, etwas, das sie lange nicht mehr empfunden hatte.
»Ah, so ist’s richtig, Herzchen. Ich kann es sehen. Es ist an deinen Augen abzulesen, die wie neu geprägte Goldmünzen strahlen.« Annies Grinsen war ansteckend, und Jenny ertappte sich dabei, wie sie ebenfalls lächelte.
»Na schön. Ich tue es!«
»Ich wusste, dass du es tun würdest. Nun, ich muss wieder los.« Annie klaubte ihren Korb auf und ging zur Tür. »Ich denke, es ist nicht zu früh, dir zu überlegen, was du dort verkaufen willst, abgesehen von der Prickelcreme versteht sich.«
Jenny nickte, und sobald Annie gegangen war, lief sie in ihre Kammer. Sie schlug ihr wissenschaftliches Tagebuch auf und blätterte die Seiten durch, bis sie die ausführlichen Pläne für ihr eigenes Geschäft fand.
Am nächsten Morgen tat Jenny das Unmögliche. Sie nahm ihre Einnahmen und bezahlte all ihre Schulden. Ja, sie rechnete mit allen Kaufleuten in Bath ab, denen sie noch etwas schuldig war.
Sie brauchte fast den ganzen Tag dafür, selbst mit Annies Hilfe, doch es war die Mühe wert und dringend nötig - für ihre Zukunft und die ihres Kindes.
Denn wenn sie ihr eigenes Geschäft eröffnen und dort herrlichen Modeschnickschnack, Cremes und Salben aus ihrer eigenen Herstellung feilbieten wollte, dann musste sie imstande sein, mit verschiedenen Kaufleuten in Bath auf Rechnung Geschäfte zu machen.
Besonders mit dem Tuchhändler. Denn ihr jüngster brillanter Einfall für ihr Geschäft war es, eine Auswahl an fertig geschneiderten Kleidern anzubieten, die nach der neuesten Pariser Mode gefertigt waren.
Annie hatte über die Idee gespottet, denn schließlich wusste jeder, dass die vornehmen Ladys sich ihre Stoffe beim Tuchhändler aussuchten und dann das Kleid von einer Modistin nähen ließen. Das Ganze dauerte mehrere Tage oder sogar Wochen.
Ja, das war die zeitraubende Methode, wie Kleider bislang verkauft wurden. Doch was sollten die Damen tun, wenn ihnen unerwartet die Einladung zu einem glanzvollen Fest ins Haus flatterte? Sie mussten sich dazu herablassen, ein altes Kleid aus ihren Truhen oder Schränken zu holen, auch wenn sie sich von Herzen danach sehnten, mit einer neuen Robe zu glänzen.
Bis jetzt war das unmöglich. Keine Modistin konnte so schnell ein elegantes Kleid anfertigen. Jenny wusste das nur zu gut, denn sie hatte es während ihrer Zeit mit Callum
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