Stürmische Eskapaden - Lady in Waiting (Featherton 2)
bei«, murmelte Meredith, doch zu Jennys Glück schienen ihre Großtanten es nicht zu hören.
Die Kutsche hielt mit einem Ruck, der Jenny nach vorn warf und ihr besticktes Retikül auf den Boden schleuderte. Während sie sich bückte, um es aufzuheben, schwang die Wagentür auf, und der Diener streckte seine Hand herein.
Oje. Sie war noch nicht so weit! Wie war sie bloß auf die Idee gekommen, sie könne eine wirkliche Lady spielen? Jennys angstvoller Blick huschte zu Lady Viola, die sich gerade erhob und sich vom Diener aus der Kutsche helfen ließ. Lady Letitia und Meredith folgten ihr in die abendliche Dunkelheit hinaus, und alsbald raffte auch Jenny mit zittriger Hand ihre Röcke und bahnte sich vorsichtig über den eisverkrusteten Matsch einen Weg zum Eingang der Upper Assembly Rooms.
Sie hätte Holzschuhe überziehen sollen, um ihre zarten Schühchen zu schützen, denn so vorsichtig sie auch ihre Füße aufsetzte, es spritzte trotzdem nasser Straßenschmutz auf ihre Kreuzbandschuhe, und der würde sich nie wieder ausbürsten lassen. Doch das war nun einmal der Preis für erlesenen Modegeschmack.
Als sie durch den von Säulen flankierten Eingang traten, zog Jenny ihre Pelisse aus und schaute sich nach Kleiderhaken um.
Lady Viola verzog bestürzt das Gesicht, als sie dies sah. Sie fasste Jenny am Oberarm und lenkte sie zu einer ganzen Reihe wartender Diener, die den eintretenden Ladys und Gentlemen die Mäntel abnahmen.
Oh, natürlich . Wie dumm von ihr, schalt Jenny sich. Wenn diese Scharade gelingen sollte, dann musste sie besser aufpassen, sich wie eine Lady zu benehmen, nicht wie ein gewöhnliches Dienstmädchen.
Das Licht war so gleißend, dass Jenny blinzelnd die Augen zusammenkniff. Selbst in dem von Säulen gesäumten achteckigen Vestibül war mit Kerzen nicht gegeizt worden. Eine
große Menschenmenge drängte sich in diesem Vorraum, bevor die Gäste durch die großen Flügeltüren in den großen Ballsaal verschwanden.
Gütiger Himmel, wer hätte gedacht, dass es in ganz Bath überhaupt so viele vornehme Leute gab - oder sogar in ganz London ?
Lady Violas Finger schlossen sich fester um Jennys Arm, während sich die alte Dame auf sie stützte und sie in Richtung des Ballsaals steuerte. Jenny bestaunte mit offen stehendem Mund die prunkvolle Ausstattung und die hochmodischen Kleider - und einige bemitleidenswert altmodische Gewänder - und den atemberaubend glitzernden Schmuck.
Dann erspähte sie durch die Tür des Spielzimmers niemand anderen als Lord Argyll. So als hätte sie ihn beim Namen gerufen, sah er in ihre Richtung, und er lächelte freundlich. Mit Schmetterlingen im Bauch sah Jenny, wie er sich umwandte und auf ihre kleine Gruppe zukam.
Doch dann wurden sie und die anderen von der Menge in den Ballsaal geschoben, und sie verlor ihn aus dem Blick.
Riesige funkelnde Kristallkronleuchter, wie Jenny sie noch nie gesehen oder sich auch nur ausgemalt hatte, beherrschten den Ballsaal. Heiliges Kanonenrohr . Sie schluckte eilig den Kloß herunter, der sich in ihrer Kehle festsetzen wollte, während Tränen in ihren Augen brannten. Ich stehe wirklich und tatsächlich in einem Ballsaal . Sie schaute über ihre Schulter, während sie weiter in den weitläufigen Saal gingen, und bemerkte, dass über der Tür ein breiter Balkon in die Wand eingelassen war, auf dem elf Musiker auf ihren Einsatz warteten. Entlang den Wänden waren zwei Reihen mit einladenden Sofas aufgestellt, auf denen es sich die älteren Damen und Herren bequem gemacht hatten, während lange Holzbänke kichernden jungen Ladys und ihren Verehrern als Sitzgelegenheit dienten.
Bahnen blauer und silberner Seide hingen elegant drapiert von der Decke und vor den schmalen, hohen Fenstern, so dass Jenny das Gefühl hatte, sie befände sich in einem Märchenland, in dem alles möglich war.
Doch ihr kam es längst so vor, als ob alles möglich wäre. Denn sie stand im Festsaal der Upper Assembly Rooms und wartete darauf, dass ein gut aussehender Viscount sie zum Tanz führte.
Lady Viola ließ endlich ihren Arm los, und Jenny setzte an, sich einmal im Kreis herum zu drehen, um die einzigartige Pracht des Ballsaals zu bestaunen, als ihre Hand plötzlich etwas Warmes, Pelziges streifte. In ihrer Verwirrung schlossen sich ihre Finger unwillkürlich um das Fell und betasteten es.
Sie wirbelte herum und sah sich völlig unvermutet Lord Argyll gegenüber, der ausgesprochen ansprechend, doch höchst unmodisch in Abendjacke und Kilt
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