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Stuermische Gefahr

Stuermische Gefahr

Titel: Stuermische Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alia Cruz
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unzählige Gesichter zu sehen. Sie spiegelten Angst und Verzweiflung wider, aber es gab auch viele, in denen er Hoffnung und Zuversicht sah . Die weinenden Kinder taten ihm leid. Andere schliefen trotz des Aufruhrs um sie herum. Wieder andere schienen der nahenden Katastrophe etwas Aufregendes abgewinnen zu können. Die Hoffnung auf ein großes Abenteuer.
    Neben sich nahm er ein herzzerreißendes Schluchzen wahr. Er unterbrach seine Suche und drehte sich nach links. Die Frau hielt ein Baby im Arm, sie stillte es gerade. Neben ihr saß ein circa fünfjähriges Mädchen. Ihr pinkfarbenes Sommerkleid mit den weißen Blümchen war schon am oberen Teil nass von ihren Tränen. Ihre beiden geflochtenen Zöpfe hatten sich fast vollständig aufgelöst. Der Mutter schien es peinlich zu sein. „Jetzt sei endlich still. Wir konnten sie nicht mitnehmen.“ Sie lächelte Aidan entschuldigend an. Sie hatte bemerkt, dass er sie angestarrt hatte. Er wollte sich wieder abwenden, aber die Frau schien zu glauben , ihm die Trauer des Kindes erklären zu müssen. „Sie weint um ihren Hund. Wir hatten eine Schäferhündin. Ich dachte mir, es sei sicher nicht erlaubt , Haustiere mitzubringen. Also haben wir sie im Garten zurückgelassen. Sie wird sich in Sicherheit bringen.“ Überzeugt klang die Frau allerdings nicht.
    Aidan glaubte eben einen kleinen Hund im Arm einer älteren Frau gesehen zu haben. Er hatte keine Ahnung, ob Haustiere hier erlaubt waren. Er kniete sich vor das Mädchen. „Hunde sind sehr schlau. Sie spüren Gefahren sehr früh. Deine Mom hat Recht. Sie hat sich längst in Sicherheit gebracht.“
    Das Mädchen sah ihn aus großen hellblauen Augen an. „Mein Daddy hat sie mir geschenkt.“
    Er sah auf die Frau. „Er ist Soldat und immer noch im Irak.“
    Aidan nickte.
    „Ich habe ihm versprochen , auf sie aufzupassen. Wenn ihr etwas passiert …“ Die Kleine konnte nicht weitersprechen, wieder wurde sie von einem Weinkrampf geschüttelt.
    Er strich ihr sanft übers Haar. „Dein Daddy würde es verstehen. Für ihn bist du das Wichtigste auf der Welt. Wenn er nach Hause kommt, dann wird er froh sein, dass deine Mom dich in Sicherheit gebracht hat. Dein Hund wird dich finden, wenn das alles vorbei ist.“
    Sie hörte für einen Moment auf zu weinen. „Glaubst du wirklich?“
    „Ja. Wenn man wirklich zusammengehört, dann findet man sich immer wieder.“
    „Hast du auch deinen Hund verloren?“
    „Nein, aber die Frau, die ich liebe.“
    „Dann findest du sie. Und Lady wird mich finden.“
    „Das ist der Plan.“ Er lächelte und die Kleine lächelte zurück. Er stand wieder auf. Irgendwie hatte ihn das zutiefst berührt. Er wollte weitergehen, hielt aber inne. „Haben sie etwas zu schreiben?“
    Die Frau angelte mit der freien Hand nach ihrer Handtasche. Sie reichte ihm einen Zettel und einen Bleistift.
    „Meine Handynummer. Würden Sie mir Bescheid geben, ob Lady wieder aufgetaucht ist?“
    „Ja. Das werden wir. Und Ihnen viel Glück. Ich hoffe Sie finden Ihre Frau.“
    Finden allein reichte nicht, sie musste ihn ja auch noch wollen. Er durchkämmte weiter die Sektion mit den kranken Patienten. Keine Spur von Scarlett. Keine der Schwestern, die er bisher hatte ansprechen können, kannte sie und die, die sie kannten, hatten sie nicht gesehen. Ein Sanitäter, den er schon beim Krankenhaus gesehen hatte, lief ihm über den Weg. Er hielt ihn an. „Hast du Scarlett Jones hier gesehen?“
    „Ja, sie ist da vorn, da spielt sich gerade ein kleines Drama ab.“ Er deutete mit der Hand auf eine kleine Traube von Menschen in einer Ecke, die etwas zu beobachten schienen. Aidan setzte sich sofort in Bewegung und bahnte sich einen Weg durch die Menschen. In mitten der Leute lag ein Mann auf dem Boden. Scarlett kniete vor dem Mann. Ihre goldenen Locken waren notdürftig zu einem Zopf zusammengebunden. Ihr Gesicht war gerötet , und sie war hoch konzentriert. Er trat noch näher heran.
    „Komm schon Danny, du darfst mir hier jetzt nicht sterben.“ Scarlett schien nichts um sich herum wahrzunehmen. Sie war vollkommen auf den beleibten Afroamerikaner konzentriert, bei dem sie eine Herzmassage machte. Der Mann schien einen Infarkt oder etwas Ähnliches gehabt zu haben , und Scarlett versuchte verzweifelt ihm das Leben zu retten. In seinem Inneren breitete sich wieder dieses Gefühl aus, das er von der ersten Begegnung an gespürt hatte. Liebe. Es hätte ihm Angst einjagen sollen, aber das tat es nicht. Nicht

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