Stürmische Liebe in Cornwall
besser, höflich zu bleiben. Immerhin hat Lord Wainwright in den letzten Monaten sehr viel für uns getan“, erinnerte Marianne die Schwester.
„Ja, ganz recht“, stimmte Mrs. Horne zu. „Außerdem wirst du in der Gesellschaft viele ihrer Art finden, Jo, also lern, deine Zunge in Zaum zu halten.“
„Ich weiß“, sagte Jo ein wenig beschämt. „Nur reizt sie mich so. Mama, sag, dass ich nicht mit ihr nach Bath muss, bitte.“
„Ich kann dich nicht zwingen, Kind, doch deine Ablehnung würde unsere Lage nur schwieriger machen. Außerdem denke ich, Bath würde dir gut tun. Du würdest neue Menschen kennenlernen. Und es gibt viele Buchhandlungen dort.“
Das war für die wissbegierige Jo eine willkommene Aussicht und milderte ihren Widerstand.
Mrs. Horne fuhr fort: „Schließlich müssen wir auch an Lucys Zukunft denken. Wir dürfen meine Schwester nicht verärgern.“
„Sprecht ihr von mir?“ Lucy hatte am Fenster gestanden und verträumt hinausgeschaut. „Ich habe mir gerade vorgestellt, wie ein Ritter auf weißem Ross mich aus den Händen eines Bösewichtes errettet.“
„Ach, Lucy!“ Mrs. Horne lächelte; ihre Jüngste war wirklich noch sehr kindlich und wurde von allen gehätschelt. „Du liest zu viele Märchen. Ich fürchte, du wirst eines Tages sehr enttäuscht sein.“
„Ich weiß, Mama, aber ich träume nun einmal zu gern. Sag, muss Jo wirklich mit der Tante gehen?“
„Ich zumindest muss fort“, meldete Marianne sich zu Wort. „Sollte ich nicht besser so schnell wie möglich zu Tante Bertha fahren, Mama?“
„Himmel“, rief Mrs. Horne. „Der Bote wartet immer noch auf meine Antwort!“
„Nein, keine Sorge, als ich Tante Wainwright zur Tür brachte, trug ich ihm auf, morgen ganz früh herzukommen und den Brief abzuholen. Dann kann er die erste Postkutsche noch erreichen.“
„Wie aufmerksam von dir, Liebes“, sagte Mrs. Horne erfreut. „Bist du sehr enttäuscht, dass du nicht nach Bath kannst?“
„Nein, das weißt du doch. Ich hielt mich immer gern bei Tante Bertha auf, und wenn sie nach mir verlangt, würde ich nie ablehnen. Wahrscheinlich fühlt sie sich einsam, obwohl sie ja eine Gesellschafterin hat.“
„Eine andere Einstellung hätte ich von dir auch nicht erwartet, Liebes. Nun müssen wir uns nur noch um deine Garderobe kümmern. Nicht, dass du in Lumpen gehen musst!“
„So weit ist es noch nicht!“, rief Marianne lachend. „Doch vielleicht sollte das eine oder andere Kleid mit Blumen oder neuen Bändern ein wenig aufgefrischt werden.“
Mrs. Horne hatte ein wenig Geld zurückgelegt, wenn es sie auch hart angekommen war. Sie erklärte Marianne, dass davon nun mindestens ein neues Kleid angeschafft werden müsste. „Gleich morgen fahren wir nach Huntingdon“, verkündete sie, was bei den Mädchen Freudenstürme auslöste. Früher waren sie jede Woche in das Nachbarstädtchen kutschiert, doch nun, da der Reverend nicht mehr lebte, konnten sie sich dieses Vergnügen nur noch selten leisten.
In dem kleinen Ort gab es nur eine Schneiderei, die jedoch auch fertige Kleider vorrätig hatte. Nachdem die vier Damen sich eine Weile umgesehen hatten, fiel ihre Wahl auf ein Abendkleid, denn das würde Marianne auf jeden Fall brauchen, selbst wenn Lady Edgeworthy nur selten eine Dinnergesellschaft gab. Zwar bot Mrs. Herrington, die Schneiderin, an, ihr drei Kleider zu einem Sonderpreis zu lassen, doch das Gesparte würde dann nicht mehr für die vielen fehlenden Kleinigkeiten reichen. Also blieb es bei der einen hübschen blauen Abendrobe, die Marianne besonders gut stand. Da die Mädchen jedoch sehr geschickt im Nähen waren, beschlossen sie, Stoff zu kaufen und in aller Eile zwei Kleider selbst zu nähen, ehe Marianne aufbrechen musste.
Nachdem sie noch neue Stiefelchen erstanden hatten, besorgten sie in einem Putzladen Material, um Mariannes vorhandene Garderobe ein wenig zu modernisieren, gönnten sich dann in der Poststation Tee und Gebäck und kletterten schließlich erschöpft, aber zufrieden in die Mietkutsche, die sie heimbrachte.
Im Pfarrhaus fanden sie einen Brief von Lord Wainwright vor, des Inhalts, dass er Marianne für die Fahrt nach Cornwall eine seiner Kutschen zur Verfügung stellen werde. Sie möge also an der Poststation die von Lady Edgeworthy für die öffentliche Kutsche geschickte Fahrkarte zurückgeben und sich den Betrag erstatten lassen. Zusammen mit dem Brief hatte er ihr einen Beutel mit Goldstücken im Wert von zwanzig Pfund
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