Stürmische Liebe in Cornwall
stimmt nicht. Außerdem …“ Sie brach ab, als vor dem Haus Räderrattern erklang. „Da ist Agatha. Bitte, meine Lieben, denkt daran, dass wir zurzeit von der Mildtätigkeit eures Onkels leben.“
Jo gab, wenn auch unwillig, nach. Sie war von den drei Mädchen vermutlich die, die ihre Abneigung gegen ihre momentane Situation am wenigsten verbergen konnte. Wie ihr Vater besaß sie einen raschen Verstand und trug wohl am schwersten an seinem Tod. Sie trauerte nicht nur wie die anderen, sondern betrachtete sich als vom Schicksal ungerecht behandelt, was sie wütend machte. Dadurch, dass das Einkommen, das ihr Vater als jüngerer Sohn genossen hatte, mit seinem Tode erlosch, war die Familie in eine sehr prekäre finanzielle Lage geraten.
Marianne konnte ihre Schwester gut verstehen; auch sie hatte ihre Tante nie besonders gut leiden können, die sich seit ihrer Heirat mit Lord Wainwright übertrieben wichtig vorkam und auf ihre Schwester hinabsah, weil die aus Liebe einen Herrn aus gutem Hause, jedoch ohne eigenes Vermögen, geheiratet hatte.
Höflich erhob Marianne sich, als ihre Tante herrisch ins Zimmer rauschte. Lady Wainwright war groß und dünn und trug stets eine verdrießliche Miene zur Schau. Sie ließ den Blick über ihre Nichten gleiten, die höflich knicksten, und nickte hoheitsvoll, als erwartete sie gar nichts anderes. Da sie im Rang unter ihr standen, mussten sie sich darüber im Klaren sein, was sie ihrer Wohltäterin schuldeten.
„Cynthia“, sagte sie, und hauchte einen Kuss neben Mrs. Hornes Wange. „Du siehst müde aus. Nun, nicht verwunderlich bei deinen Sorgen. Aber ich habe gute Nachrichten. Wainwright sagt, ihr könnt das Pförtnerhaus haben. Natürlich ist es ein wenig klein, doch es sollte genügen, denke ich, denn du kannst sowieso nicht mehr das gesellschaftliche Leben wie früher pflegen. Ihr könnt so bald wie möglich umziehen.“
„Das ist sehr gütig von ihm …“ Mrs. Horne war ein wenig durcheinander – erleichtert, eine Unterkunft zu haben, doch auch besorgt, weil das Häuschen nur drei Schlafzimmer hatte. Eine Bedienstetenkammer gab es auch nicht, sodass ihr Hausmädchen auf einem Feldbett in der Küche würde schlafen müssen. „Danke, er ist sehr freundlich.“
„Ja“, sagte Lady Wainwright selbstgefällig, „denn er war nicht verpflichtet, etwas für euch zu tun, und hätte es auch nicht getan, wenn du nicht meine Schwester wärest.“ Zufrieden sah sie, wie diese auf ihrem Stuhl zusammenschrumpfte. „Das ist jedoch noch nicht alles. Mein Arzt hat mir eine Trinkkur in Bath empfohlen.“ Sie drückte eine Hand auf ihren in karminrote Seide gehüllten Busen. „Wainwright meint, dass ich mich letztens in London überanstrengt habe. Wie du weißt, hat Annette debütiert. Da sie nun gut verheiratet ist, habe ich Zeit, mich um deine Töchter zu kümmern, Cynthia.“
Marianne und Jo sahen sich entsetzt an, denn beide legten wenig Wert darauf, von Lady Wainwright bevormundet zu werden. Da Lucy noch zu jung war, würde es wohl auf eine von ihnen hinauslaufen.
„Aber wir …“ Der scharfe Blick ihrer Schwester ließ Mrs. Horne innehalten. „Natürlich müssen wir für das Haus dankbar sein, aber …“
„Aber mehr hast du nicht erwartet“, vollendete Lady Wainwright. „Warum auch? Dass Wainwright euch das Pförtnerhaus überlässt, ist außerordentlich großzügig von ihm. Was ich nun anspreche, tue ich aus eigenem Antrieb. Ich habe beschlossen, dass Marianne mich nach Bath begleiten soll. Bestimmt werden sich dort für sie viele Gelegenheiten finden, eine gute Partie zu machen. Normalerweise würde sie kaum auf Besseres als einen jüngeren Sohn rechnen können, doch als meine Nichte wird sie bestimmt an Ansehen gewinnen. Ich hätte sie zusammen mit Annette nach London nehmen können, doch das wäre meiner Ansicht nach verschwendete Zeit gewesen. Schließlich ist Annette eine Erbin, sie bekam naturgemäß eine Menge Anträge; Marianne wird sich mit weniger begnügen müssen. Mit ein bisschen Glück wird jemand aus dem niederen Adel um sie werben, aber ein begüterter Gentleman ohne Titel würde es auch tun.“ Sie schaute Marianne erwartungsvoll an. „Nun, junge Dame, was sagst du dazu? Hättest du das je erwartet?“
„Nein, wirklich nicht“, entgegnete Marianne höflich. Mühsam hielt sie sich zurück, um ihrem Ärger und ihrer Verlegenheit nicht mit deutlichen Worten Luft zu machen. Sie wäre Lady Wainwright für die Einladung sehr dankbar gewesen, hätte
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