Stürmische Verlobung
Steckenpferd zuzulegen.«
»Ermuntern, ja. Doch mit der Ehe kommen Kinder.« Sie sah ihre Schwester boshaft an. »Und schon ist’s mit den Steckenpferden
vorbei. Dann sind da all die Festlichkeiten und Bälle, zu denen man gehen muss. Und natürlich müssen die Bediensteten und der Haushalt geführt werden …«
»Hör auf.« Grace hielt sich die Ohren zu. »Ja, eine verheiratete Frau hat viele Verpflichtungen. Aber das ist noch lange kein Grund, die Ehe so zu verabscheuen.«
»Ich verabscheue die Ehe nicht«, widersprach Eliza und stellte das Bild wieder auf die Staffelei zurück. »Sie ist nur einfach nichts für mich. Und ich kann nichts Unrechtes daran finden, dem Gebot meines Herzens statt dem Diktat der feinen Gesellschaft zu folgen.«
Eliza kam zum Sofa zurück und ließ sich neben Grace auf die Polster fallen. »Außerdem strebt nicht jeder so nach häuslicher und gesellschaftlicher Perfektion wie du, meine Liebe.« Sie umarmte ihre Schwester und schmunzelte unwillkürlich, als Graces blonde Locken ihre Wange kitzelten.
Grace schubste sie von sich fort und gab sich dabei alle Mühe, nicht zu grinsen.
Eliza stand auf und stellte sich vor das heruntergebrannte Kaminfeuer. »Meine Güte, es ist kalt geworden. Was hältst du davon, wenn wir Mrs. Penny bitten, uns frischen Tee aufzubrühen?«
»So leicht kapituliere ich nicht«, entgegnete Grace. »Ich will, dass du es mir in die Hand versprichst. Du weißt, was mir diese Saison bedeutet. Ich werde nicht zulassen, dass du mir alles verdirbst. Schwör es mir.«
»Na gut.« Eliza legte sich die Hand aufs Herz. »Ich schwöre, dass ich mich den Wünschen unserer Tanten fügen werde. Aber sobald die Saison vorbei ist, habe ich andere Pläne.« Eliza sah ihre Schwester herausfordernd an. »Zufrieden?«
»Ich schätze, ich werde mich wohl damit begnügen müssen.«
Eliza streckte lachend ihre Hand aus und zog Grace auf die Füße. Arm in Arm gingen sie an der Klingelschnur vorbei und strebten auf die gemütliche Wärme der Küche zu.
In der gut bestückten Bibliothek des verstorbenen Generals stellte Viola Featherton derweil ein Buch mit marmoriertem Einband an seinen Platz im untersten Regal zurück und richtete sich auf. Ihr schmerzender Rücken ließ sie jedes einzelne ihrer vierundsiebzig Jahre fühlen.
»Das Debüt der beiden Mädchen muss absolut perfekt verlaufen«, erklärte sie und drehte sich zu ihrer molligen Zwillingsschwester um. »Was sollen wir tun, wenn wir das Buch nicht finden, Schwester?«
»Mach dir keine Sorgen. Wir finden es schon. Such nur weiter«, wies Letitia sie an. »Ich weiß, dass es hier irgendwo sein muss.«
Viola schaute zweifelnd drein. Dutzende von Büchern waren bereits aus den Regalen geholt und türmten sich nun auf dem Schreibtisch und dem Fußboden.
Viola stützte ihren zierlichen Körper auf ihren Ebenholzstock und musste sich mit Mühe davon abhalten, eine Grimasse zu schneiden, als sie sah, wie Letitia die Bücherregale auf Augenhöhe absuchte. Die Arbeitsteilung schien nicht sonderlich gerecht, denn wenn sie sich nicht irrte, hatte Letitia sich noch kein einziges Mal nach einem Buch gebückt, während sie selbst die vergangene Stunde auf ihren Knien zugebracht hatte. Doch Viola wusste, dass sie es Letitia nicht übel nehmen durfte. Schließlich war ihre Schwester die Ältere, zumindest um drei Minuten, und daher fiel ihr das Bücken schwerer als Viola. Jedenfalls behauptete Letitia das.
Mr. Edgar, ihr ergrauter Butler, stand ganz oben auf einer rollbaren Bibliotheksleiter. Er schaute nervös nach unten und kniff dann seine Augen fest zu.
Letitia stemmte die Hände in ihre ausladenden Hüften und blickte zu ihm hoch. »Machen Sie die Augen auf, Edgar. Wenn Sie solchen Unfug treiben, finden wir das Buch nie.«
Edgar öffnete erst ein Auge, dann das andere und überflog die Buchrücken auf dem obersten Bord. »Tut mir leid, Mylady. Ich kann den Band hier oben nirgends entdecken. Darf ich jetzt wieder herunterkommen?«
»Dürfte ich vorschlagen, dass wir uns als Nächstes die Bücher hinter der Tür vornehmen?«, sagte Viola und lächelte Edgar mit flatternden Wimpern an, während sie mit ihrem Gehstock auf den Bücherschrank hinter der Zimmertür zeigte.
Der Diener biss sich auf die Lippen und stieg mit einem Fuß vorsichtig eine Sprosse nach unten. Bevor er noch den zweiten Fuß hintersetzen konnte, packte Letitia ungeduldig die Leiter und versuchte, sie zum nächsten Regal zu schieben.
Edgar langte
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