Stürmische Verlobung
keine Kinder, die mich besuchen. Ich habe keine Enkel, die ich verwöhnen
kann. Begreifst du denn nicht, Eliza? Das Schicksal einer alten Jungfer ist einsam.« Tränen funkelten wie kleine Sterne in Tante Letitias Wimpern.
Das Herzeleid, das in der Stimme ihrer Tante mitschwang, ließ auch Eliza mit den Tränen ringen. Für sie würde es anders sein, versicherte sie sich im Stillen. Sie hatte schließlich ihre Kunst.
Tante Violas Hand zuckte und zauberte ein Lächeln auf Tante Letitias Lippen. »Gut, gut. Schwester kehrt zu uns zurück«, verkündete sie und legte Violas Hand wieder auf deren spitzes Knie zurück.
Sie sah erst Eliza an, dann Grace. »Worauf ich hinauswill, ist, dass wir nicht zulassen werden, dass eine von euch beiden das gleiche Schicksal ereilt.« Sie gab Edgar mit einem knappen Nicken ein Zeichen, und der Diener kam sogleich heran und legte ein dickes rotes Buch auf den Tisch vor den beiden alten Tanten.
Eliza starrte auf den verstaubten Band und wunderte sich, was es damit auf sich hatte. Sie stand auf, trat an den Pembroke-Tisch heran und strich mit ihrem Finger über den ausgeblichenen vergoldeten Titel des Buches. » Die Schule der erfolgreichen Eroberung «, las Eliza laut vor. Sie sah fragend zu ihren Tanten, doch diese lächelten nur freudig erregt und erwartungsvoll.
Eliza klappte das dicke Buch in der Mitte auf, überflog die Seiten und sah, dass es mit militärischen Listen und Strategien gefüllt war. Die Sache wurde immer verwirrender.
Was hatten ihre Tanten mit einem Buch über Kriegsstrategien vor? Eliza riss abrupt den Kopf hoch. »Ich verstehe nicht.«
Tante Viola hob ganz langsam den Kopf und schnaubte grinsend. Sie ergriff den Arm, den Letitia ihr hinhielt, fand daran Halt, und trat an den Tisch. Sie schlug das Buch zu
und tippte mit ihrem Finger auf den ausgeblichenen Einband. »Lies den Titel, Liebes. Die Schule der erfolgreichen Eroberung . Es ist nämlich ein Handbuch über die Kunst der Verführung und des Werbens.«
Tante Letitia klatschte begeistert in die Hände. »In diesem Buch finden sich alle nötigen Strategien, um dich und Grace bis zum Ende der Saison unter die Haube zu bringen. Es wird wie die Debütsaison sein, die wir nie hatten.«
Eliza war recht unschlüssig und noch zu sehr damit beschäftigt, sich einen Reim auf das zu machen, was sie gerade gehört hatte. Doch es ergab einfach keinen Sinn. Nicht den geringsten.
Ihre Tanten hielten ein Lehrbuch über Militärstrategie irrtümlich für eine Anleitung zum Verloben!
»Tantchen, dieses Buch ist …«
Grace ergriff Elizas Hand und zog sie zurück zum Sofa. »Denk an dein Versprechen, Eliza.«
»Aber Grace, du verstehst ja nicht, dieses Buch …«
»Ich muss nicht verstehen. Siehst du denn nicht, was diese Sache ihnen bedeutet?«, flüsterte ihre Schwester.
Eliza schaute zu Tante Viola, die inzwischen das gepriesene Regelbuch beinahe zärtlich in ihren Händen hielt. Sie wandte sich zu Tante Letitia um, in deren Augen das Feuer der Hoffnung brannte.
Eliza kniff ihre Augen zu. Der Himmel stehe ihr bei . Sie konnte es nicht tun. Konnte ihnen nicht die Wahrheit sagen. Nicht, ohne ihnen das Herz zu brechen.
Eliza schlug die Augen auf und rang sich ein Lächeln ab. »Das Buch ist genau das, was wir brauchen. Welches Glück für uns, dass ihr euch daran erinnert habt.«
Grace entließ hörbar ihren angehaltenen Atem.
Tante Letitia kam um den Tisch herum und drückte Eliza einen Kuss auf die Wange. »Wir wussten, dass ihr beide euch
freuen würdet. Wir werden auf der Stelle beginnen. Edgar, bringen Sie den Sherry. Dies ist ein Anlass zum Feiern!«
Eliza und Grace gesellten sich zu ihren Tanten an den Tisch, während Edgar die Getränke servierte.
Tante Viola entschlüpfte ein aufgeregtes Kichern, als sie das Buch abermals auf den Tisch legte und aufschlug. Sie hob ihre Lorgnette vor ihre Augen und fixierte die große schwarze Überschrift am Kopf der Seite - zweifellos das Einzige, was ihre alten Augen noch ausmachen konnten. »Regel eins«, las Tante Viola vor. »Wer geschlossen steht, einig im Ziel, wird den Sieg davontragen.«
»Unser erstes Ziel haben wir erreicht«, verkündete Tante Letitia. »Von diesem Moment an werden wir geschlossen stehen, einig im Ziel - euch beide bis zum Ende der Ballsaison verlobt zu sehen.«
»Hört! Hört!«, jubelte Grace und sah zu Eliza.
»Hört, hört«, murmelte Eliza und starrte entgeistert auf das scharlachrote Buch zwischen ihnen.
Auf welchen Wahnsinn
Weitere Kostenlose Bücher