Stuermischer Zauber
dachte an die drei erwachsenen Kinder des Earls. Sie waren freundlich zu ihr, solange sie ein niederes Mitglied des Haushalts war. Aber der Gedanke, die junge Gwynne Owens könne ihre Stiefmutter werden, musste ihnen wirklich absurd vorkommen.
»Noch bin ich der Herr über Harlowe House und kann tun und lassen, was ich will«, bemerkte er trocken. »Aber wenn ich mit ihnen gesprochen habe, werden sie es dir nicht verübeln. Wenn ich dich heirate, diene ich den Interessen der Wächter. Falls du mich als Ehemann akzeptierst, heißt das.«
Sie versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. »Ihr haltet um mich an, weil es den Familien gegenüber Eure Pflicht ist, Lord Brecon?«
»Unsere Leute profitieren davon, wenn ich dich auf dein Schicksal vorbereite. Aber das könnte ich auch tun, ohne dich zu heiraten. Ich … ich habe immer Gefallen an deiner Gesellschaft gefunden, Gwynne«, sagte er zögernd. »Die Jahre seit Charlottes Tod waren einsam. Dein Verstand, deine Wärme und deine Anmut wären mehr als eine Wohltat und gehen weit über das hinaus, was ein alter Mann verdient. Ich wäre geehrt und dankbar, wenn du meine Frau wirst.«
Sie erkannte, dass er es ernst meinte. Dieser wunderbare Mann, der weise und mächtig war wie kein Zweiter, wollte sie heiraten. Zum ersten Mal in ihrem Leben spürte sie die Gegenwart der Macht. Nicht die Kraft der Magie, sondern die viel ältere Macht einer Frau, an der ein Mann Gefallen findet.
Sie strahlte vor Freude, erhob sich und reichte ihm ihre Hände. »Ihr ehrt mich und gebt mir mehr, als ich mir je hätte erträumen können, Mylord. Wenn Ihr es wirklich wünscht, wäre ich sehr gern Eure Braut.«
Mit einem Lächeln, das ihr den Atem raubte, umschloss er ihre Hände. »Dies ist richtig für uns beide, Gwynne. Das weiß ich.«
Und sie wusste es auch mit einer unvernünftigen Sicherheit. Impulsiv hob sie seine Hände an ihren Mund und presste einen Kuss auf seine gichtigen Knöchel. Schon jetzt war sie traurig, weil sie wusste, wie kurz die gemeinsame Zeit sein würde. Aber sie wollte dafür sorgen, dass er seine Entscheidung nicht bereute.
Das Schicksal konnte auf sich selbst aufpassen. Ab jetzt wollte sie sich darum kümmern, eine gute Ehefrau zu sein.
1. Kapitel
Sommer 1745 Richmond, England
Duncan Macrae atmete tief durch. Er war berauscht von den üppigen Gerüchen des Sommers. Nach einer langen, aufreibenden Reise über den Kontinent war er erst letzte Nacht in London angekommen. Er hätte es bevorzugt, diesen Tag schlafend zu verbringen, aber sein Freund Lord Falconer hatte darauf bestanden, ihn von London nach Richmond zu schleppen. Jetzt war Duncan froh, mitgekommen zu sein.
Als sie um die Ecke des Landhauses ihres Gastgebers bogen, betrachtete er prüfend die Frauen. In herrlichen Roben schlenderten sie über den grünen Rasen und flirteten geradezu schamlos mit den nicht minder gut aussehenden Gentlemen. »Die Ladys von London sind wie ein Strauß exotischer Blumen.«
Simon Malmain lächelte träge. »So erlesene Frauen wirst du in deinen wilden schottischen Bergen nicht finden.«
»Schottische Mädchen sind ebenso liebenswert, und sie brauchen dafür weniger Tricks.« Duncan blickte zum Himmel auf. »Lady Bethany hat den Tag gut gewählt. Schönstes britisches Wetter.«
»Wie du weißt, fließt in ihren Adern auch Macrae-Blut. Es reicht, um immer den richtigen Tag für ihre Vergnügungen zu wählen, trotz unseres wechselhaften englischen Wetters.« Simon strich liebevoll eine Falte aus dem Ärmel seiner blauen Brokatjacke. »Wenn Regen drohte, hätte ich nicht diesen neuen Mantel angezogen. Er war verdammt teuer.«
Duncan grinste. Sein Freund ahmte das Verhalten eines Stutzers so perfekt nach, dass sogar Duncan, der ihn seit frühester Kindheit kannte, manchmal vergaß, dass Simon der gefährlichste Magier in England war. Jedenfalls, wenn man von Duncan absah. »Wo ist Lady Bethany? Ich möchte unserer Gastgeberin meine Aufwartung machen. Ich habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen.«
Simon beschattete seine Augen und blickte über die Menge. »Da drüben, sie steht im Schatten des Pavillons.«
Die Männer lenkten ihre Schritte in Richtung ihrer Gastgeberin. Duncan musterte interessiert die Tische mit dem reichen Angebot an Erfrischungen. Doch das Essen musste hinter anderen Verpflichtungen zurückstehen. Als sie sich dem Pavillon näherten, hörte er drinnen ein Streichquartett, das fröhliche Musik spielte, die zu diesem Tag passte.
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