Stürmisches Paradies

errichtet war, was gut war, denn die ärmliche Konstruktion sah aus, als ob ein kräftigerer Wind sie zusammenbrechen lassen würde. Wie auch immer, es war ein Unterschlupf, und trotz der Körpergröße des Kapitäns spürte Alicia, dass sie von ihm nichts zu befürchten hatte.
    Der Kapitän zündete ein Feuer auf der winzigen Herdstelle an, und dieses half, den Schimmelgeruch zu vertreiben, der an den Wänden haftete. Aus einer Truhe zog er dicke Decken hervor und legte sie vor den Herd. Kurz darauf saß Alicia mit einer Tasse in den Händen darauf und war froh, dass sie relativ sauber rochen.
    Der Riese hatte sich den einzigen Stuhl in der Hütte ausgesucht und setzte sich nun mit einem zufriedenen Seufzen darauf.
    »Wann habt Ihr Samantha zum letzten Mal gesehen?«
    »Ich hab sie nur zweimal getroffen. Beim ersten Mal marschierte sie in die Dublone hinein, wo ich gerade mit Luke redete.«
    »Ihr habt Luke bereits mal erwähnt. Wer ist das?«
    Der Kapitän verschluckte sich beinahe an seinem Getränk und musste sich auf die Brust klopfen, um wieder durchatmen zu können.
    »Ihr habt noch nie von Luke Bradley gehört?«
    »Nein, warum?«
    »Du meine Güte, Missy, er ist bloß der beste Pirat, den die Karibik je gesehen hat!«
    »Aber Ihr habt gesagt, Samantha gehöre zu Luke. Sind sie … sie können doch nicht … sie hat einen Piraten geheiratet?«
    Er setzte seinen Becher heftig auf den wackeligen Tisch neben seinem linken Ellenbogen. »Jetzt schaut doch nicht so schockiert. Luke ist ein verdammt guter Mann, und das letzte Mal, als ich die beiden gesehen habe, sahen sie ziemlich glücklich aus.«
    »In Ordnung, tut mir leid. Also, Samantha kam in die Dublone und …«
    Er nickte, ein Lächeln machte sein Gesicht weicher. »Sie war schon ein Anblick. Ganz in Rot gekleidet, hatte sie sofort jeden der anwesenden Männer, mich eingeschlossen, um den Finger gewickelt. Luke nahm erst daran Anstoß, als ich etwas zu ihr sagte. Er meinte, er habe sie zuerst gesehen. Ich hab ihr aber nichtsdestotrotz gefallen, glaub ich. Sie sagte, sie suche nach einem anderen Piraten mit Namen Dervish. Gewiss, direkt im Anschluss nahm Luke sie mit nach draußen. Ich hab sie danach nicht mehr gesehen bis vor ein paar Monaten.«
    »In St. Kitts?«
    »Ja.«
    »Hat sie diesen anderen Piraten je gefunden?«
    »Hm«, antwortete er und schluckte noch mehr Rum runter. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und setzte den Becher ab. »Luke hat ihn getötet.«
    Der Kapitän hatte das so beiläufig erwähnt, als ob er bloß über das Wetter redete. Alicia biss sich auf die Lippe. Wo geriet sie da hinein? Sie suchte nach einer Frau, die sie nicht kannte und die mit einem Mann verheiratet war, der eine andere Person umbringen konnte. Und ihr gemeinsamer Bekannter, ein Bekannter, bei dem zu übernachten sie zugestimmt hatte, hielt dies nicht für falsch. Charles hatte recht – sie war verrückt.
    »Nun, bevor Ihr ein Urteil fällt, lasst mich Euch was erzählen. Luke war ein großartiger Pirat, aber er war nicht gemein. Er war zwar auch hinter Beute her, aber nicht so wie andere. Er benutzte gern seinen Verstand und spielte ein wenig damit herum. Wenn ich so drüber nachdenke, glaube ich, er bevorzugte die Jagd. Aber nach dem, was ich über Samantha weiß, hätte sie ihn nicht geheiratet, wenn er kein guter Mann wäre. Er ist einer der wenigen, denen ich mein eigenes Leben anvertrauen würde.«
    »Ihr sagtet ›war‹. Ist er kein Pirat mehr?«
    »Nein. Er bat um Pardon.« Das Gesicht des Kapitäns teilte sich zu einem Grinsen, das so breit war wie sein Bauch. »Gewiss, wenn du der beste Schiffsbauer in dieser Region bist und du der Marine die schnellsten und stärksten Schiffe verkaufst, dann ist die wohl eher geneigt, dir ziemlich schnell zu vergeben.«
    Alicia probierte ihren Tee, der aber eher wie Moorwasser schmeckte und stellte die noch volle Tasse zur Seite.
    »Es ist eigentlich egal, wirklich. Mr. Merritt will mir nicht helfen, und ich weiß nicht, wo ich sonst noch nachsehen soll. Als Frau alleine kann ich nicht so einfach auf irgendein Schiff hüpfen. Ich hatte schon Glück, hierher zu kommen.«
    »Was Ihr über Blake wissen müsst«, begann der Kapitän, während er sich über den Bauch rieb, »ist, dass er sehr stur sein kann. Und wenn er böse wird, dann wird’s nur noch schlimmer. Der schnellste Weg, Blake dazu zu bekommen, nach Norden zu gehen, ist es, ihn nach Süden zu befehlen.«
    »Er ist doch kein Pirat, nicht