Stürmisches Paradies
wahr?«
»Ein Freibeuter, aber das ist in Wahrheit alles dasselbe. Nur dass Blake die Marine auf seiner Seite hat und die nicht versucht, ihn aufzuknüpfen, seht Ihr?«
»So oder so, ich muss mir einen anderen Plan ausdenken.«
Der Kapitän beugte sich nach vorn und fixierte Alicia mit seinen grauen Augen. »Wisst Ihr, was ich denke? Ich sage, Ihr lasst ihm gar keine Wahl.«
»Aber der einzige Weg wäre zu -«
»Das stimmt, Missy.« Der Kapitän nickte. »Das ist der einzige Weg.«
Alicias Magen vollführte einen Salto. »Warum würdet Ihr mir raten, das zu tun? Ihr mögt Blake.«
»Ja. Tue ich. Aber Blake braucht ein wenig Spaß in seinem Leben. Er ist zu ernsthaft.«
Sie wusste nicht, was der Umstand, dass Mr. Merritt sie wiedersah, daran ändern würde.
»Sagt mir, Kapitän. Mein Vater hat offensichtlich gedacht, Blake sei ein anständiger Mann, dem ich trauen kann. Bisher war meine Erfahrung mit ihm aber eine andere. Was haltet Ihr von ihm?«
»Missy, wenn ich den Mann nicht leiden könnte oder ihm nicht vertrauen würde, dann würde ich Euch doch wohl kaum zu ihm schicken. Mein einziger Rat? Bleibt so lange versteckt, bis Ihr weit genug vom Hafen entfernt seid.«
5
Lewis Grant lächelte in der Dunkelheit. Er spürte die Steine gar nicht mehr, die ihm in die Schuhsohlen drückten. Es machte ihm auch nichts mehr aus, die Mücken zu verscheuchen, die um sein Gesicht schwirrten und ihn so lange piesackten, bis seine Haut kribbelte. Das Einzige, was er spürte, war ein enormes Gefühl der Befriedigung.
Dank der Angewohnheit des hünenhaften Trottels, die Fenster offen zu lassen, hatte Lewis jedes Wort gehört. Jetzt wusste er nicht nur, wo Samantha war, sondern er wusste auch schon, wie er zu ihr gelangen würde. Lewis leckte sich über die Lippen.
Jetzt musste er nur noch auf Blake Merritts Schiff kommen – das würde weniger Verdacht erregen, als wenn er ihn verfolgen würde – und dem kleinen Plappermaul folgen, bis sie ihn zu Samantha führte. Oliver hatte dieser Hure mehr Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet, als er für seinen einzigen Sohn übrig gehabt hatte. Lewis hatte die Absicht, dafür zu sorgen, dass Samantha dafür ebenfalls bezahlen musste.
Er kroch aus seinem Versteck unter dem Fenster und spazierte aus dem Wäldchen und zurück zur Kneipe. Er würde sie finden und ihr drohen, dass er sie der Obrigkeit übergeben würde, sollte sie ihm nicht das Schiff seines Vaters zurückgeben und außerdem alles, was sie sich als Sam Steele angeeignet hatte.
Und sobald er das Schiff mit unsäglichem Reichtum beladen hatte und zurück in Port Royal war, würde er die Marine mit Freuden wissen lassen, wo sie war. Sie verdiente es nicht besser.
Blake rollte sich gerade aus seiner Koje, als sich die Sonne aus dem saphirblauen Wasser in den purpurnen Himmel schob. Er nahm sich einen Moment, um sie zu betrachten, doch seine übliche Freude darüber, den Sonnenaufgang zu sehen, wurde von denselben Gedanken verdorben, die ihn auch schon während der vergangenen Nacht und der davor gequält hatten. Er zog seine Hose an und warf sich das Hemd über, ließ es aber offen. Barfuß tappte er zum Tisch und starrte auf den versiegelten Umschlag hinab. Er hätte ihn verbrennen sollen. Wenigstens hätte er ihn in der Dublone lassen sollen, wo man ihn hätte benutzen können, um verschütteten Rum aufzuwischen oder den Fußboden zu reinigen. Er wusste nicht, welcher Teufel ihn geritten hatte, den Umschlag in seine Jackentasche zu stecken, aber er wünschte sich, er hätte es nicht getan.
Wie er jetzt so die Knitter betrachtete, die den Umschlag dank seiner groben Reise in der Jackentasche bedeckten, war Blake immer noch ebenso zornig wie beim ersten Mal, als man ihm diesen Umschlag unter die Nase gehalten hatte. Wer zum Teufel nochmal glaubte sie eigentlich, wer sie war?
»Alicia Davidson.«
Er sprach ihren Namen wie einen Fluch aus. Für ihn war er das auch. Seit er zum ersten Mal gehört hatte, dass man sie gefunden und aufgenommen hatte, war sie für ihn eine schwärende Wunde, die nicht heilen wollte. Es war ganz besonders unangenehm, weil er wusste, wer sie zu ihm geschickt hatte. Ihr helfen? Gewiss, er würde ihr helfen und zwar auf dieselbe Art und Weise, wie Jacob Davidson ihm geholfen hatte. Indem er ihr den Rücken zudrehte und vorgab, dass sie nicht existierte.
Blake vermutete, dass er bereits eine volle Stunde vor sich hingeschmort hatte, als er sich schließlich zusammenriss. Er würde nicht
Weitere Kostenlose Bücher