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Stürmisches Paradies

Stürmisches Paradies

Titel: Stürmisches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Beattie
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der ein Paar abgewetzte braune Hosen und eine Kappe trug und der einen Eimer neben dem Gesicht hatte und Blake den Rücken zukehrte.
    »Hast du Schwierigkeiten, Sohn?«, fragte Blake ohne Mitgefühl.
    Ein langgezogenes Stöhnen antwortete ihm, und der Junge zog sich die Krempe seiner Kappe tiefer ins Gesicht.
    »Ein bisschen spät, um sich zu verstecken, Junge.« Blake trat gegen seinen Stiefel. »Steh auf.«
    Für eine Weile glaubte Blake nicht, dass der Junge sich fügen würde. Aber schließlich bewegte er sich, drehte Blake beim Aufstehen aber weiterhin den Rücken zu und umklammerte den Eimer dabei fest. Er schwankte ein wenig, und Blake fluchte. Dies war niemand, der auf seinem Schiff irgendwie von Nutzen sein konnte.
    »Dreh dich um.«
    Der Junge senkte den Eimer und zog, während er sich umdrehte, die Kappe vom Kopf. Ein langer Zopf fiel über das, was die Schulter eines Jungen hätte sein sollen. Nur war es kein Junge, der ihn mit einem Gesicht ansah, das so bleich war, wie die Leinwand seiner Segel.
    Blake fühlte sich, als ob er heftig in den Magen geboxt worden wäre.
    »Hallo, Herr Freibeuter.«
    »Alicia? Was zum Teufel nochmal macht Ihr auf meinem Schiff?«

6
    Sie antwortete nicht. Er konnte sehen, dass sie es wollte, aber jedes Mal, wenn sie den Mund öffnete, um zu sprechen, klappte sie ihn wieder zu, schloss die Augen und schluckte mehrmals. Sie schwankte und taumelte gegen die Wand, dann sank sie nieder, bis ihr Hinterteil auf dem Boden ankam. Sie stellte den Eimer zwischen ihre angewinkelten Knie.
    »Bringt mich an Land, Ihr würdet mir damit einen Gefallen tun«, murmelte sie.
    Er hätte gelogen, wenn er behauptet hätte, dass er nicht versucht war, genau das zu tun.
    »Ihr habt Euch in Tortuga an Bord geschmuggelt?«
    Sie nickte.
    »Seitdem seid ihr krank?«
    Ein weiteres Nicken.
    »Verdammt, Alicia, das war vor anderthalb Tagen!«
    Sie würgte wieder, obwohl nichts mehr da war, was hochkommen konnte. Dann wischte sie sich übers Gesicht, lehnte sich zurück und sah ebenso zerbrechlich aus, wie ein neugeborenes Lamm.
    »Ich bin mir der Stunden, die vergangen sind, ziemlich bewusst, denn sie haben sich unerträglich in die Länge gezogen.«
    Ihren bleichen Wangen und den dunklen Ringen unter den Augen nach zu urteilen, hatte Blake keinen Zweifel daran, dass sie jede Sekunde mitgezählt hatte. Doch er weigerte sich, sich davon anrühren zu lassen. Seit er Port Royal vor sieben Jahren verlassen hatte, hatte Blake immer genau gewusst, was er wollte, und er hatte ein Ziel gehabt. Er hatte Freibeuter werden wollen, und von dem Augenblick an, als er sein Schiff erworben und seine ersten Kaperbriefe bekommen hatte, hatte er gespürt, dass zum ersten Mal in seinem Leben alle Aspekte seines Daseins perfekt zusammenpassten. Er hatte ein Ziel gehabt, und zwar keines, das ihm von seinem Vater vorgegeben worden war, sondern vielmehr eines, das er sich selbst gewählt hatte. Obwohl dieses Mädchen das natürlich nicht gefährden konnte, reagierte er auf ihre Anwesenheit dennoch.
    »Falls ich Euch zurück nach Port Royal brächte, was würdet Ihr dann tun?«
    In ihren Augen entdeckte er plötzlich mehr Tatkraft, als er es in ihrem Zustand für möglich gehalten hätte.
    »Ich würde versuchen, einen anderen Weg nach St. Kitts zu finden.«
    »Um jemanden wiederzufinden, an den Ihr Euch nicht erinnert? Seid Ihr so dumm?«
    »Warum fragt Ihr?«, wollte sie wissen. »Habt Ihr Euch denn nicht bereits entschieden, dass Ihr mir nicht helfen wollt?«
    Krank oder nicht, Blake starrte sie wütend an. Sie hatte sich auf seinem Schiff als blinder Passagier versteckt. Sie hätte um sein Mitleid, sein Verständnis betteln sollen. Das erwartete er von ihr. Der Umstand, dass sie zwar nicht mehr genügend Kraft besaß, sich aufrecht zu halten, ihn aber dennoch so einfach herausfordern konnte, zeigte ganz schön viel Mumm. Und seiner Verärgerung zum Trotz hatte er diesen Wesenszug einer Person schon immer respektiert. Er biss die Zähne zusammen.
    »Wahrscheinlich würdet Ihr dabei umkommen. Falls es dem Flüssigkeitsverlust nicht gelingt, dann wird es ein Piratenangriff gewiss schaffen.«
    Sie schloss die Augen. »Eure Besorgnis ist überwältigend.«
    Er ging zu ihr und kniete nieder. Er wartete, bis sie die Augen öffnete. »Ich werde Euch in meine Kabine bringen und Euch etwas zu essen geben. Aber versteht das nicht falsch, ich tue es nicht aus Sorge um Euch. Ich will bloß keine Leiche, die mein Schiff

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