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Stürmisches Paradies

Stürmisches Paradies

Titel: Stürmisches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Beattie
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einen Moment länger über die ganze Sache nachgrübeln. Er hatte ihretwegen bereits zwei schlaflose Nächte verbracht. Die eine, als sie vor Tortuga ankerten und er sich ihre kleine Rede immer wieder ins Gedächtnis gerufen hatte, bis er furchtbare Kopfschmerzen bekam, und vergangene Nacht wieder, nachdem sie das Schiff beladen und Tortuga anschließend verlassen hatten. Er hatte angenommen, das Wissen, Alicia hinter sich gelassen zu haben, würde ihm wieder seinen Seelenfrieden verschaffen.
    »Nun, das hat es aber nicht, verdammt nochmal«, murmelte Blake, knöpfte sein Hemd zu und zog seine kniehohen Stiefel an. In der Hoffnung, die Ruhe an Deck würde ihm helfen, bevor der Rest der Besatzung erwachte. Also ging er nach oben.
    Das Meer war ruhig und still, und sein Schiff schlief ebenso wie der Rest seiner Männer. Blake füllte sich die Lungen mit kühler Luft und ging ans Steuerruder. Vincent, einer seiner Bootsmänner, stand am Ruder.
    »Morgen, Kapitän.«
    »Morgen. Nichts am Horizont?«, fragte Blake und nahm das Fernrohr. So weit das Auge sehen konnte, gab es nichts außer einer plätschernden Decke aus blaugrünem Wasser. Blake konnte sich nichts Schöneres vorstellen. Die Knoten in seinen Schultern lockerten sich. Hier war sein Zuhause. Hier musste er sich nicht rechtfertigen, musste nicht erklären, wie es in seinem Herzen aussah. Hier konnte er einfach nur sein, und hier war der Ort, an den er gehörte.
    »Nichts. Die See ist ruhig.«
    »Gut. Los, ruh dich aus.«
    Vincent sprang von der Kiste, auf der er gestanden hatte, und schob sie zur Seite. Als Zwerg brauchte er diese Box, um über das Steuerruder sehen zu können, aber das war auch das Einzige, was er benötigte, um der beste Bootsmann zu sein, den Blake je gehabt hatte. Nate, sein anderer Bootsmann, war im Augenblick unter Deck. Beide hatten eine natürliche Begabung für Strategie, und viele der Schlachten, die sie gewonnen hatten, verdankten sie der Geschicklichkeit von Vincent und Nate. Aus diesem Grund behandelte der Rest der Mannschaft Vincent auch als gleichberechtigt, und seine Größe war niemals ein Problem. Falls es das jemals werden sollte, dann würden sie sich Blake gegenüber rechtfertigen müssen.
    Vincent gähnte und rieb sich das runde Gesicht und sah dabei eher wie ein junger Bursche aus, als wie ein Mann, der beinahe ebenso alt war wie Blake.
    »Gott sei Dank. Ich habe letzte Nacht vor meiner Schicht versucht an Deck zu schlafen, aber der Grünschnabel, den du in Tortuga angeheuert hast, hat sich ständig übergeben. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie von so einem schweren Fall von Seekrankheit gehört.«
    Blakes Hand erstarrte mitten in der Luft vor dem Ruder. »Du hast jemanden angeheuert. Ich nicht.«
    »Der Mann, den ich angeheuert habe, heißt Lewis. Diesen hier habe ich noch nie zuvor gesehen. Er kam in Tortuga an Bord. Hat gesagt, du hättest ihm’nen Job gegeben.«
    Tief unten in seinem Bauch machte sich ein sehr unbehagliches Gefühl breit, und auch Blakes Schultern verspannten sich wieder.
    »Wo ist er?«
    »Unten, leistet den Hühnern Gesellschaft.«
    Perfekt. »Kannst du das Schiff noch einen Augenblick lang steuern?«, fragte Blake.
    Vincent schob die Kiste einfach wieder in Position.
    »Danke. Ich sollte nicht lange brauchen, und dann kannst du etwas schlafen.«
    »Solange du diesen Jungen davon abhältst, sich ständig zu übergeben, übernehme ich das.«
    »Nun, je nachdem, weshalb er sich auf meinem Schiff versteckt hat, werde ich ihn vielleicht ganz einfach über Bord werfen.«
    Vincent lächelte. »So gemein bist du nicht.«
    Blake grinste spöttisch und ging unter Deck. Er marschierte an den Hängematten voll schnarchender Männer vorbei und folgte dem Gestank eine weitere Ebene hinab, dorthin, wo sie ihren Viehbestand hielten. Die Ziegen reckten die Hälse, als er vorbeiging, auf der Suche nach irgendetwas, was sie anknabbern konnten. Die Hühner beobachteten ihn schweigend aus ihren Drahtkäfigen. Er wich dem schlimmsten Dreckstrom aus, der den Durchgang zwischen den Käfigen und den Laufställen kreuzte und fragte sich, weshalb jemand, der seekrank war, sich entschließen sollte, sich ausgerechnet im stinkendsten Teil des Schiffes aufzuhalten. Es sei denn, es wäre jemand, der nicht gefunden werden wollte.
    Blake musste nicht lange suchen. Er musste nur ganz einfach dem Stöhnen des kranken Jungen folgen. Blake fand ihn auf der Seite in einem sauberen Haufen Stroh liegend. Es war ein dünner Junge,

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