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Stumme Angst (German Edition)

Stumme Angst (German Edition)

Titel: Stumme Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Stein
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Liam und hakt die Finger ineinander, streckt sie, bis sie nacheinander knacken. Er macht es bloß, um zu schauen, wie sein Gegenüber reagiert, ob er seine Signale zu interpretieren versteht. Doch der bleibt ruhig sitzen und tippt irgendwelche Infos in den PC.
    »Sie leiten also nicht die Ermittlungen? Wer dann?«
    Endlich schaut der Kommissar auf, streift Liams Gesicht, als würde er ihn zum ersten Mal wirklich wahrnehmen.
    Vielleicht ist er inzwischen doch zu ihm durchgedrungen, sein Zwischen-den-Tönen-Ton. Wie könnte er ansonsten auch bei der Kripo arbeiten?
    »Der Hauptkommissar. Ich hol ihn gleich. Wichtig ist, dass wir das hier erst mal fertig machen. Sobald ich die Personalien Ihrer Freundin eingegeben habe, lass ich sie durchs System laufen. Je eher wir damit anfangen, desto besser.«
    Der Kommissar tippt, sie warten. Irgendwann streckt jemand den Kopf zur Tür rein und der Kommis sar tritt hinaus auf den Gang. Die Tür lässt er einen Spaltbreit offen, deswegen hören sie ihn sagen: »Kann jetzt noch nicht. Geht ihr zur Döner-Bude, oder was?«
    »Jepp. Sollen wir dir was mitbringen?«
    »Lass gut sein, Alter. Ich geh später selbst. Und nimm nicht wieder mit Knofi. Sonst stinkst nachher im Meeting wieder wie zu Hause bei deiner türkischen Großfamilie.«
    Liam wirft einen Blick auf Marie, sie rollt mit den Augen. Wäre die Situation eine andere: Liam hätte gelacht. Hätte verstanden, dass man auch auf dem Präsidium gegen Mittag was zwischen die Kiemen braucht.
    »Ich hab schon in den umliegenden Krankenhäusern angerufen«, meint Liam, weil er hofft, einer wichtigen Frage vorauszugreifen.
    »Gut. Aber checken tun wir das trotzdem alles noch mal.«
    Hinter Liams Schläfen beginnt es zu pochen. Fehlt nur noch, dass der Typ ihn auch noch mit Alter anspricht, vielleicht noch ein konkret hinterherschiebt.
    Marie scheint etwas Ähnliches durch den Kopf zu gehen, denn sie sucht seinen Arm und drückt zu, als wollte sie ihn besänftigen. Die Geste wird freundschaftlich gemeint sein, mag sein. Und doch ist sie ihm irgendwie lästig, allenfalls Anna dürfte ihn so berühren.
    Als der Hauptkommissar den Raum betritt, hat er schon eine Akte über Anna in der Hand, liest noch im Gehen die letzten Details, bevor er aufsieht und ihnen die Hände schüttelt.
    Liam mustert den älteren Kommissar: Um die fünfzig wird er sein, die Haare dicht, das Hemd weiß und über der Jeans getragen, die Ärmel hochgekrempelt wie einer, der anpacken möchte. Allein in der Art und Weise, wie er dasitzt, unterscheidet er sich von seine m jüngeren Kollegen: Seine Hände liegen ruhig auf dem Tisch, während die Arme des Jungen ineinander verschränkt sind. Ob man bei den Bullen nichts über die Bedeutung von Körpersprache lernt, fragt sich Liam.
    Die erste Frage des Hauptkommissars: Wer außer ihnen denn die engste Bezugsperson von Anna wäre.
    »Ihre Stiefmutter, Selma Mayer«, antwortet Marie.
    Der Alte wirft einen Blick in die Akte.
    »Und die ist momentan verreist? Mit wem?«
    »Ich kenne leider nur seinen Vornamen: Michael«, beginnt Marie und sieht Liam fragend an.
    »Strobel. Michael Strobel. Ist Rechtsanwalt, hat eine Kanzlei in der Stadt und ein Segelboot irgendwo in Phuket.«
    »Schreibst du mit, Alex?«
    Die Frage ist an den Jungen gerichtet, der sich träge aus seiner verschränkten Körperhaltung löst und nach einem Stift greift.
    »Wir werden versuchen, Frau Mayer ausfindig zu machen. Kennen Sie ihre Mail-Adresse?«
    Als sie die Köpfe schütteln, sagt er: »Macht nichts. Sie ist Ärztin an der Uniklinik. Die finden wir schnell raus.«
    Sie werden nacheinander befragt: Erst er, dann Marie.
    Das hatte Liam nicht erwartet, hat fast schon etwas von einem Verhör, findet er.
    Der Hauptkommissar wendet sich ihm zu, er müsse sich eine Vorstellung von ihrer Beziehung machen, sagt er. Ob sie glücklich sind. Ob sie in letzter Zeit öfter gestritten hätten, vielleicht sogar kurz vor ihrem Verschwinden?
    Obwohl Liam sich auf diese Frage vorbereitet hat, sucht er nach einem Rettungsanker im Raum. Kapitän wäre einer gewesen, der Griff nach seinen Schlappohren unter dem Tisch.
    »Wir haben uns nicht gestritten«, beginnt er. »Vielleicht hatten wir mal ein paar Meinungsverschiedenheiten, ein paar Diskussionen.«
    »Aha. Eigentlich also. Und kurz vor ihrem Verschwinden, gab es da solche – Diskussionen ?«
    »Nein.«
    Er ist überrascht, wie leicht ihm die Lüge fällt. Dass er dem Alten dabei direkt ins Gesicht sehen kann, ohne

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