Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stummer Zorn

Stummer Zorn

Titel: Stummer Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
ich beunruhigt. Aber davon bekäme ich auch keine wärmeren Füße. Zu spät erkannte ich, daß ich Cully entschlossener hätte suchen und ihn zum Schuheholen nach Hause hätte schicken sollen, da sein Schuhwerk intakt war. Ich blieb zitternd auf dem Gehsteig stehen und wäre beinahe umgedreht. Aber ich hatte fast einen Block zurückgelegt und wußte genau, wo in meinem Schrank meine Ersatzschuhe standen. Außerdem war Cully vielleicht mit seinem Schwarm beschäftigt.
    Ich biß die Zähne zusammen und ging weiter. Ich war noch einen halben Block von daheim entfernt, als in der gesamten Straße die Lichter ausfielen. Zweifellos der Eisregen im Norden. „Oh, Hölle", sagte ich zu der schwarzen Nacht, zu dem schweigenden Wohnblock und zu der Spannung, die sich plötzlich aus dem Zentrum meines Bewußtseins erhob. Ich hatte nicht gemerkt, daß ich Angst hatte. Aber jetzt wußte ich es. Ich war allein und schutzlos in der Nacht.
    Natürlich durfte ich nicht stehenbleiben. Ich wickelte meinen Mantel enger um mich, biß die Zähne zusammen und ging weiter. Es gab nicht einmal viel Mond- oder Sternenlicht; die dunklen Wolkengebilde des nahenden Sturms verhüllten beides. Ich sah finsterere Umrisse in der Finsternis. Das war alles.
    Wegen der Düsternis ging ich zuerst an den Stufen vorbei, die zum Hof hochführten. Ich knuffte mich zur Strafe leicht. „Dumme Nick", murmelte ich. Dann fand mein nackter Fuß den Kies der Auffahrt, die hinters Haus führte. Das war vielleicht wirklich besser. Wäre ich zur Vordertür gegangen, hätte sich Mimi durch das ganze dunkle Haus tasten müssen, um mich einzulassen. Die Küchentür wäre einfacher; sie war sicher mit Barbara in der Küche. Vielleicht hatten sie schon Kerzen an.
    Das war ein aufheiternder Gedanke. Aber da ich ihn gehabt hatte, war ich doppelt enttäuscht, die Küchenfenster so leblos wie den Rest des Hauses vorzufinden.
    Ich tastete mich an den Autos entlang, vermied es mit knapper Not, in die Hecke zu stürzen, die die Hintertreppe flankierte, und stieg sie mit ausgestreckten Händen empor. Ich umklammerte beide Schuhe mit der linken Hand, um die Rechte frei zu haben. Ich hörte auf der Straße ein Auto vorbeifahren. All dem Gejohle und Gebrüll entnahm ich, daß eine Gruppe feiernder Teenager den Stromausfall toll fand.
    Blind tappte ich über die Veranda und hatte das große Glück, den Knauf der Küchentür auf Anhieb zu finden. Ich stieß sie auf, fragte mich kurz, warum sie nicht verschlossen war, trat ein, rief „Mimi!" ... und das Licht ging wieder an.
    Einen langen, benommenen Augenblick lang stand ich offenen Mundes da. Mimi kauerte in der Frühstücksnische, einen Schraubenzieher in der Hand, den sie fest umklammert hielt, das spitze Ende nach vorn. Vor ihr - „wie lächerlich", dachte ich unwillkürlich — stand Theo Cochran.
    Er hatte ein Messer in der Hand.
    "Achtung!" schrie Mimi.
    Verwirrt von der plötzlichen Helligkeit und Mimis Schrei hatte Theo sich halb umgedreht, bis ich ihn mit meinen Schuhen bewarf. Sie flogen kilometerweit vorbei (ich hätte keine Scheune aus drei Metern Entfernung getroffen), aber sie lenkten ihn ab. Er duckte sich ohne jede Notwendigkeit und versuchte sich dann zu entscheiden, wen er angreifen sollte.
    Mimi klärte das durch eine Heldentat. Sie warf sich auf ihn.
    Inmitten des Chaos sah ich mich panisch nach einer Waffe um. Mimi hatte ihren Schraubenzieher in der einen Hand und umklammerte mit der anderen das Handgelenk der Hand, in der er das Messer hielt. In den Sekundenbruchteilen, die ich in Schockstarre dastand, verletzte er sie durch eine Drehung det Klinge, und ich sah Blut über ihren Arm fließen.
    „Nein", sagte ich sehr entschieden und ergriff das einzig Schwere, was zur Hand war: den mit Butter gefetteten Thanksgiving-Truthahn, der neben dem Spülbecken auf det Arbeitsplatte lag. Ich ergriff die Beine in ihrer Metallmanschette, schoß übers Linoleum, schwang den Truthahn und schmetterte ihn in weitem Bogen gegen Theos Schläfe. Beim Aufprall flog mir det eingefettete Truthahn aus der Hand und glitschte grotesk über den Boden.
    Theo taumelte und ließ Mimi los, um sich aufzurichten.
    Sie stach sofort mit dem Schraubenzieher zu, und an seinem Grunzen erkannte ich, daß er verletzt war, aber ich fürchtete, das stumpfe Ende würde nicht tief genug eindringen, um ihn ernsthaft zu verwunden, also schlang ich die Arme von hinten um seine Brust und biß ihn so heftig wie möglich in den Hais. Ich ließ nicht einmal

Weitere Kostenlose Bücher