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Stummer Zorn

Stummer Zorn

Titel: Stummer Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Ich zerwühlte sein Haar, etwas, wovon ich wußte, daß es ihn nervte. „Schluß mit der Nabelschau", befahl ich. „Es ist Zeit zum Feiern."
    Cully gab einen wunderbaren Robin Hood ab. Ich hatte oben auf dem Speicher ein übergroßes, einfarbig grünes Unterkleid gefunden. Mimi erinnerte sich vage, daß eine Tante es nach einem Besuch bei Celeste vergessen und nie danach gefragt hatte. Mit Gürtel ergab es ein prächtiges Wams für Cully, das bis zum halben Oberschenkel reichte. Er hatte ein Paar hohe braune Stiefel, die er im Wald trug, und ich zwang ihn, eine grüne Strumpfhose von mir darunterzuziehen. Unter dem Wams trug er ein grünes Flanellhemd. Die Kappe mit der Feder hatte ich aus grünen Filzresten und einem alten Hut Celestes angefertigt. Cully hatte sich von seinem Freund, dem Polizisten, der Bogenschütze war, Pfeil und Bogen geliehen.
    Natürlich wollte Cully, daß ich als Marian ging. Ich fragte mich, ob sie in langen Kleidern im Wald herumgestolpert war, während sie darauf wartete, daß Robin heimkam, um mit seinen Taten zu prahlen, oder ob sie auch Strumpfhosen getragen und sich mit den besten der Gefährten im Bogenschießen gemessen hatte. Schließlich beschloß ich, da ich meine grüne Strumpfhose Cullys Kostüm geopfert hatte, sei es zu schwierig, genug Grün für ein eigenes zusammenzukratzen. Ich entschied mich, als gute Fee zu gehen, da ich in meinem Schrank das perfekte Kleid dafür gefunden hatte. Es war weiß, flauschig, tief ausgeschnitten, mit Volants versehen und geradezu unerträglich romantisch. Ich hatte es auf einer Modenschau getragen und danach aus einer Laune heraus gekauft. Es stammte aus der Romantik-Revivalphase eines Designers, der nie den Durchbruch geschafft hatte.
    Ich hatte den Morgen damit verbracht, mir aus Karton und Flitter eine Krone zu basteln und einen Stab aus einem Pappstern und dem
    Griff einer Fliegenklatsche zu bauen, die ich ebenfalls großzügig mit Flitter versehen hatte. Ich legte mein Haar in Springlocken und fönte es zu einer blonden Wolke, dann malte ich mir zwei rosa Punkte hoch auf die Wangenknochen. Ich hatte sogar goldenen Nagellack ausgegraben.
    Als Cully und ich fertig waren, stellten wir uns Mimi vor, die stark nach Salbei und Preiselbeeren roch.
    „Gute Fee, bitte verwandle diesen Frosch in einen Prinzen", bat Mimi mit kindlicher Piepsstimme und deutete auf Cully.
    „Puff!" sagte ich gehorsam mit der süßesten Stimme, die ich hinbekam. Ich schwenkte meinen Stab. „Junger Frosch, nur für diesen Abend bist du ein Prinz, ein Angebot von kurzer Dauer."
    „Ping", antwortete Cully, riß die Augen auf und richtete sich auf, um seine Verwandlung zu verdeutlichen.
    Wir alle lachten uns schlapp, denn Mimi hatte beim Kochen ein paar Gläser Wein getrunken, und Cully und ich waren liebestrunken.
    Barbara kam, bevor wir gingen. Sie sah flotter aus, als ich sie seit Monaten gesehen hatte, ihre Wangen hatten Farbe, und sie ging beschwingt. Offenbar hatte sie Spaß daran, pokern zu lernen. Sie trug Stiefel und einen Schal um den Hals, Sie warnte uns, draußen würde es von Minute zu Minute kälter. „Aber ich liebe es. Es ist wie daheim."
    „Die Fee Clarabelle wird uns auf ihrem Hexenbesen zur Party bringen", sagte Cully, ohne eine Miene zu verziehen.
    „Wärmt ihn besser vor, ehe ihr aufsteigt", kommentierte Barbara.
    „Sollen wir den Wagen nehmen?" fragte mich Cully. „Ich wollte eigentlich nicht, weil es nur drei Blocks sind und wir eh keinen Parkplatz finden werden. Aber ich will nicht, daß du in dem Ding erfrierst."
    Ich sagte Cully, ich könne drei Blocks Kälte ertragen, und wir brachen zu Fuß auf.
    Wenn Gäste erst einmal locker genug sind, um sich zu kostümieren, steht einer ziemlich enthemmten Party nicht mehr viel im
    Wege. Das stellte ich etwa zwei Stunden später fest, als ich an den Küchentresen gelehnt mit meiner Gastgeberin Sally plauderte (der Dame, die angeblich das Leichenfoto auf dem Nachttisch hatte -woher wußte Mimi das?) Wit wurden uns nach langem Überlegen einig, daß Kostüme bedeuteten, daß man lockerließ. Ich hatte ein Glas Wein zuviel getrunken, meine Gastgeberin etwa drei. Unser Gespräch war eher erratisch.
    Wir stürzten uns in eine hitzige Diskussion darübet, ob Hexen eine Männer- oder eine Frauenerfindung waren. Sally war der Ansicht, Männer verfolgten als „Hexen" gebrandmarkte Frauen, um ihrer allgemeinen Angst vor Frauen Ausdruck zu verleihen, und ich vertrat die Auffassung, Frauen behaupteten, Hexen

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