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Stummer Zorn

Stummer Zorn

Titel: Stummer Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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hatte ich so lange nicht gehört, daß ich mich kaum erinnerte, daß sie früher ständig gekichert hatte.
    „Ich habe dich lieb."
    „Das hoffe ich", sagte sie. „Tschüs, Nickie."
    „Tschüs, Mama."
    Wir legten beide sehr sanft auf.
    Mimi gab mir lächelnd noch eine Serviette.
    Meine anfallartige gute Stimmung, die zuvor künstlich gewesen war, hatte jetzt tatsächlich eine Basis. Ich tanzte beinahe, als ich mich für die Party fertigmachte. Ich tanze nur, wenn ich mich sicher fühle; mein Tanz erinnert seht an einen Frosch, der von Blatt zu Blatt springt.
    „Jetzt weiß ich, daß du ein Mensch bist", bemetkte Cully, als ich aus dem Bad zum Schrank tänzelte, um meine Klamotten herauszuholen. Ich schoß mit einem besonders gewagten Manöver an ihm vorbei und küßte ihn auf die Stirn.
    „Hattest du daran Zweifel?"
    „Einmal", gab er zu.
    „Warum?" Ich hörte auf herumzuwirbeln und sah ihn an.
    „Oh ... du hast nie zugegeben, daß etwas nicht stimmte."
    Aha, aha, aha. Ich setzte mich lautstark aufs Fußende des Bettes. „Erklär."
    Er faltete die Hände und sah mich mit zusammengepreßten Lippen an. Ich bekam einen Eindruck davon, wie ihn seine Patienten sahen. (Oder hieß das „Klienten"?)
    „Du warst so schön", begann er, und ich zuckte zusammen. Darauf lief es am Ende immer hinaus; mein Segen und mein Fluch. „Du warst intelligent. Du warst sehr gut in der Schule, selbst als dein Familienleben den Bach runterging. Mimi hat uns irgendwann erzählt, was mit deinen Eltern los war; aber du hast nie etwas gesagt ..."
    „Ich schämte mich", unterbrach ich.
    „Heute verstehe ich das, aber damals — denk dran, ich war auch unerfahren — damals sah es einfach aus, als mache es dir nichts aus."
    Eine ganz andere Sichtweise einer der schlimmsten Phasen meines Lebens. Ich hatte solche Angst gehabt, den makellosen Houghton-Haushalt mit meinen schmierigen Problemen zu beschmutzen. Wer hätte angesichts der kalten Perfektion Elaines schon offen über seine alkoholkranke Mutter gesprochen? Das sagte ich auch Cully.
    „Heute verstehe ich das", betonte er. "Aber damals war ich auch nur ein Kind. Ich war damit beschäftigt, ein toller Hecht aus dem Abschlußjahrgang der High School zu sein, dann ein bescheidener Erstsemester im College, und immer wenn du Mimi besuchen kamst, war das eine Qual für mich. Du wirktest einfach viel zu perfekt für einen wie mich. Dann gingst du nach New York, um genau das zu werden, was du sein wolltest. Tapfer. Schön und tapfer, smart, erfolgreich, wohlhabend. Ich traf Rachel und heiratete sie. Dann kamst du zu Mimis erster Hochzeit und sahst aus wie eine Außerirdische, so kultiviert waren dein Gesicht und deine Klamotten."
    „Cully, bei dieser Hochzeit war ich total voll."
    „Das war das erste Mal, daß ich dachte, du könntest ein richtiger Mensch sein wie wir anderen auch", sagte er grinsend. Die zusammengepreßten Lippen und gefalteten Hände waren verschwunden, und er war Cully, mein Liebster, nicht Cully, der Beobachter.
    „Warst du scharf auf mich?"
    „Worauf du dich verlassen kannst. Feuchte Träume."
    „Juhu!" Wir grinsten einander an, und ich leckte mir gespielt lasziv die Lippen. Mit dem Zeigefinger strich ich seinen Schnurrbart glatt. Er biß mich in die Fingerspitze.
    „Jahrelang sah ich überall, wo ich hinging, dein Gesicht. Ich kaufte früher Zeitschriften, wenn dein Gesicht auf dem Cover war."
    "Aber du kamst mich mit Rachel in New York besuchen", sagte ich vorsichtig.
    „All meine Gefühle für dich waren so Undefiniert, du wirktest so unerreichbar, daß das alles keine Auswirkungen auf mein wahres Leben, das Leben mit Rachel, zu haben schien."
    Gut. Ich wollte nicht hören, daß seine Ehe an einer Fantasie gescheitert wat, nicht einmal an einer von mir.
    „Deine Wohnung war schön. Dein Leben war voller Hochglanzleute. Du warst oben angekommen."
    Natürlich hatte ich es so aussehen lassen wollen, weil Cully mit Rachel kam. Auch das sagte ich ihm. Er schüttelte reuig den Kopf.
    „Als Mimi mir von deiner Rückkehr erzählte, konnte ich es einfach nicht glauben. Ich konnte nicht glauben, daß du Rückschläge und Niederlagen erlitten hattest. Ich hatte einfach mein Pubertätsbild von
    dir aufrechterhalten. Es war nie erwachsen geworden. Der Rest von mir schon, aber nicht der Teil, der dieses Bild von dir enthielt." „Aber dann ...", murmelte ich. Dann wurde ich vergewaltigt. Es hing zwischen uns in der Luft.
    Ich sprang Cully an und biß ihn in den Hals.

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