Stunde der Klesh
und den Westen ansteuern.“
Jemasmy fragte verdutzt: „Also geht es nicht nach Lambascade?“
„Nein, nicht auf direktem Wege. Mein Plan war jedoch, daß sie daran glauben.“ Morgin wies mit dem Kopf zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. „Zuerst“, sagte er, „weiter nach Medlicht. Dann wenden wir uns nach Utter Semerend, dann endlich können wir uns südlich halten und Lambascade ansteuern; erst möchte ich gern mit Ruggou sprechen.“
Jemasmy kicherte:
„Und die anderen sollen davon nichts wissen, hm? Ach ja, der gute alte Bauchschlitzer! Er beherrscht lange nicht soviel vom guten alten Ombur, wie er möchte – und mag die Heilige Zermille weiter seine Pläne durchkreuzen –, aber man darf ihn auf keinen Fall übergehen. So ist es recht, Meister Morgin. Nach Medlicht also und dann nach Utter Semerend.“
Morgin zuckte unwillkürlich zusammen, als Jemasmy den heimlichen Beinamen des Inkantor {8} Ivak Ruggous gebrauchte, des Führers und Häuptlings der Aurisman-Septe.
Er konnte nur hoffen, daß sich Jemasmy nicht vergaß und den Namen etwa in Hörweite von Ruggou oder einem seiner Gefolgsleute benutzte. Es gab nur wenige, die Ruggou einen Bauchschlitzer genannt hatten und nicht gleich darauf erfahren mußten, wie sich Ruggou seinen Beinamen erworben hatte.
Jemasmy warf die Zügel über einen Pflock und stieg ebenfalls ab. Dann gab er der unförmigen Gestalt am Heck des Wagens ein Zeichen. Benne-der-Klon verließ mit ungelenken Bewegungen seinen Sitzplatz und kletterte so ungeschickt vom Karren hinab, als ob er diese Bewegung zum erstenmal ausführte. Wenig später begann er unter dem rückwärtigen Teil des Karrens zu rumoren und kam mit zwei Wassereimern und einem Ledersack Maische wieder zum Vorschein. Die Länge seiner muskelbepackten Arme stand in einem eigenwilligen Verhältnis zu seinen kurzen, krummen Beinen.
Während Benne seine Last nach vorn zu den Saumern trug, begab sich Jemasmy zur Achse der massiven Räder und untersuchte sie. Er trug einen prallen Sack auf der Schulter, der offenbar ein größeres Gewicht barg. Morgin ging derweil ziellos auf und ab, sein Gesicht war ausdruckslos. Schließlich erhob sich Jemasmy von seiner Untersuchung der Radnabe, umrundete den Karren und schloß sich Morgins Wanderung an.
Jemasmy wartete einen Moment darauf, daß Morgin ihn bemerkte, dann sagte er: „Bei der heiligen Dame! Die Pest soll das Delta und sein Rattenvolk holen! Ich glaube, das Lager ist verschlissen.“
Morgin schien seine Bemerkung gar nicht gehört zu haben. Er fragte, während seine Blicke weiter die Umgebung durchstreiften: „Wurden wir verfolgt?“
Jemasmy antwortete: „Nein. Vom Delta her jedenfalls nicht. In den Hügeln habe ich nichts bemerkt. Alles war ganz still. Aber seit wir auf der Ebene sind, sind die Saumer irgendwie unruhig geworden. Es kann aber nicht wegen einer Sache in der Nähe gewesen sein. Ich tippe auf ein paar Jäger, die irgendwo in der Ferne nach ein paar Versprengten aus dem Delta suchen.“
„Man weiß nie“, murmelte Morgin bedeutungsvoll. „Vielleicht hast du recht, wir wollen auf jeden Fall nicht die Hoffnung aufgeben. Andererseits, es könnten schon Haydars oder Meorer sein. Beide würde ich nicht gern im Dunkeln treffen – mit einer kleinen Bande Meorern könnten wir allerdings wahrscheinlich fertig werden.“
„Nur wir drei … Hm. Wir haben eine Ballista auf dem Wagen, und Benne kann recht gut damit umgehen.“
Morgin dachte nach. „Es liegt etwas in der Luft, das ich genauso spüre wie die Saumer; unter anderen Umständen würde ich es wahrscheinlich nicht tun, aber jetzt muß ich wohl doch den Wendel zu Rate ziehen. Ja, er soll sich entkrusten.“
Jemasmy hatte einen Einwand: „Morgin, du weißt, daß er sehr schlecht aufgelegt sein wird. Während des ganzen Treffens mußte er sich ständig entkrusten …“
„Ja, ja, das stimmt schon, aber ich hatte gar keine andere Wahl. Und jetzt ist es genauso. Ich bin unruhig, fühle mich bedroht. Etwas regt sich um uns, in den nächtlichen Lüften: Da ist Bewegung, Furcht und auch … Hoffnung. Das fühle ich, das weiß ich. Aber nicht, woher es kommt. Auf jeden Fall muß ich ein Ortsorakel haben. Ich würde es dem Hospod Alor von den Lagostomes ohne weiteres zutrauen, daß er eine Meorer-Bande angeheuert hat, um uns das Leben schwerzumachen.“
„Alor? Womit könnte der schon zahlen?“
Morgin machte eine ärgerliche Geste. „Womit schon?! Das Übliche. Weiber natürlich
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