Stunde der Klesh
widerwillig. Es war schade, daß niemand von den Gastgebern ihnen Gesellschaft leistete, dachte Meure, aber dann konzentrierte er sich wieder auf sein Essen und sein Bier. Er sagte sich, daß es lange dauern konnte, bis sie wieder eine solche Gelegenheit haben würden.
Ihr Diener schaute noch einmal nach ihnen. Er sammelte die leeren Näpfe und Krüge ein und brachte sie frisch gefüllt zurück. Ja, alles lief bestens. Ihr Diener wirkte durchaus nicht unfreundlich. Mit Schwung machte sich Meure über den Nachschlag her. Das herzhafte Aroma des Eintopf es hatte einen feinen Beigeschmack, der sich nicht näher bestimmen ließ, den Meure aber mit der Zeit immer mehr zu schätzen wußte. Er stellte fest, daß die anderen das Essen mindestens ebenso genossen, und das war auch gut so. Er hatte gar nicht damit gerechnet, daß ihr Besuch in Cucany so angenehm verlaufen würde. Sicher würde man sie bald zu Gemächern geleiten, in denen man ein paar anständige Betten für sie bereithielt. Das wäre keine schlechte Idee. Je länger er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm der Gedanke an ein paar gemütliche Schlafstellen, denn die Abenteuer der letzten Tage hatten ihn doch sehr ermüdet. Er konnte sich nicht daran erinnern, wie viele Tage es eigentlich gewesen waren, aber es war sicher eine lange Zeit. Irgend etwas paßte in seinem Zeitgefühl nicht zusammen. Seit sie hier gelandet waren, war viel mehr Zeit vergangen, als zu der Anzahl Tage paßte, die er im Sinn hatte.
Er sah sich in der Runde um. Der Vfzyekhr hatte sich auf Audiarts Schoß zusammengerollt und war eingeschlafen, wie es schien. Das war gut so. Nach dem, was er über die Spsomi gehört hatte, taten ihre Sklaven gut daran, jede Gelegenheit zum Schlafen zu nutzen, die sich ihnen bot. Er sah, daß Morgin und Tenguft keinen Nachschlag genommen hatten. Jetzt saßen sie abseits und blickten müde umher. Das waren schon seltsame Wesen, die beiden. Wie konnten sie die Vorzüge einer solchen Gastfreundschaft ausschlagen? Alle anderen aßen noch immer, genau wie er. Aber sie bewegten sich in Zeitlupe, als ob sie in einer zähen Flüssigkeit schwämmen. Er ergriff seinen Bierkrug und trank den Rest in einem Zuge. Ihm gegenüber, auf der anderen Seite des Tisches, saß Rerdistar. Es war schon komisch anzusehen, wie sie unentwegt in ihren Napf starrte. Ein erstaunter Ausdruck war auf ihrem schlichten Gesicht. Wieso eigentlich schlicht, fragte sich Meure, der einen versteckten Charme in den Zügen des adligen Ler-Mädchens zu erkennen glaubte. Er sah sich das offene Gesicht, die bleiche Haut, den schlanken, jungenhaften Körper genauer an. Ihre hellen, feuchten Augen. Zwar benahm sie sich sehr sonderbar, aber es gelang ihm dennoch, die Intensität ihrer Persönlichkeit in ihrem Äußeren zu entdecken. Ja, so war es. Bestimmt war sie ungemein gefühlvoll, und bestimmt kannte sie ein paar Techniken, von denen er sich nichts träumen ließ. Jetzt sah er sie in einem anderen Licht. Er konnte sich vorstellen, daß ihr schmaler Mund harte, leidenschaftliche Küsse austeilte und ihm in der Nacht lustvolle Worte zuraunte. Wie hatte er sie nur für schlicht oder reizlos halten können. Clellendol war ein Narr, wenn er sie ignorierte.
Die Ler-Heranreifende stieß ihre Schale zurück und ließ ihren Kopf auf den Arm sinken, der ausgestreckt auf der Tischplatte lag. Ihre Augen waren noch offen, aber bald schlossen sie sich, erst das eine, dann das andere. Ihr Unterkiefer sank herab, und Meure sah die Zähne hinter der Unterlippe, rosa und weiß. Er war voller Kraft, voller Selbstvertrauen. Ja! Noch heute nacht! Wenn Clellendol nichts davon verstand – er wußte, was zu tun war. Genau! Doch da stellte er fest, daß er sein Vorhaben nicht in die Tat umsetzen konnte. Er wollte hinübergehen und sich zu Flerdistar setzen, aber seine Beine wollten ihm nicht gehorchen. Eigentlich hatte er sogar Mühe, den Kopf aufrecht zu halten. Er sah sich noch einmal um, der Anblick war wirklich zu komisch: Alle waren auf ihrem Platz zusammengesunken, die Köpfe ruhten zum Teil auf der Tischplatte. Die Öllampen waren wirklich unwahrscheinlich hell. Morgin und Tenguft saßen zwar aufrecht, aber sie wirkten abwesend, fast bewußtlos. Allein Clellendol war noch wach, er glitt gerade ausgesprochen mühselig von seiner Bank. Meure mußte lachen. Sollte er ruhig kommen. Wahrscheinlich hatte er mit seiner übernatürlichen Ler-Gabe geahnt, was Meure im Schilde führte, und jetzt wollte er zu ihm
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