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Stunde der Klesh

Stunde der Klesh

Titel: Stunde der Klesh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. A. Foster
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kommen und ihm – genau wie der prahlerische Cervitan – sagen, er solle das Mädchen in Ruhe lassen. Puh! Da war gar nicht dran zu denken!
    Meure sah Clellendol belustigt zu, wie er auf Händen und Knien um den Tisch herum und auf ihn zukroch. Es sah aus, als habe er noch nie im Leben so schwer gearbeitet. Jeder Schritt nach vorn erinnerte an eine Kletterpartie in einer Steilwand. Faszinierend! Endlich hatte Clellendol Meures Platz erreicht, und er versuchte sich zu ihm hochzuziehen. Aber natürlich, er schaffte es nicht. Gönnerhaft beugte sich Meure zu ihm hinab. Was konnte es schon schaden, wenn er ihn anhörte. Eigentlich konnte er ihm sogar erzählen, was er im Sinn hatte. Zum Teufel! Clellendol konnte ihnen ja zusehen, wenn er Lust dazu hatte. Er beugte sich so tief hinab, daß ihre Köpfe sich fast berührten. Clellendol versuchte ihn anzusehen, aber seine Augen gehorchten ihm nicht mehr. Dann sagte er etwas, etwas ganz anderes als Meure erwartet hatte.
    „Man hat uns betäubt … sei auf der Hut … Hüte dich vor Cretus. Sieh es nicht an, wie es auch aussehen mag!“
    Mehr brachte der Ler-Heranreifende nicht heraus. Seine Stimme versagte, und er fiel auf den kalten Boden. Er hatte gerade noch so viel Kraft, um zu verhindern, daß sein Kopf zu hart aufschlug.
    Meure ließ sein Kinn auf die Brust sinken und dachte einen Augenblick über das Gehörte nach. Sieh es nicht an. Flerdistar? Das ergab keinen Sinn. Cretus? Wieso sollte er sich vor einem Mann hüten, der schon tausend und mehr Jahre tot war? Cretus gab es nicht mehr, mochte Flerdistar sich über ihn den Kopf zerbrechen. Betäubt? Da mochte etwas dran sein. Das war auf keinen Fall sehr gastfreundlich … Morgen würde er sich darum kümmern – bis dahin hatte es sicher Zeit.
     
    An diesem Abend traf der Sonnenuntergang zusammen mit einer bestimmten Anordnung der beiden Sonnen, der die erwählten Weisen der Windvögel einen Namen in Singlesprache gegeben hatten. Er lautete Manefranamosi, und sie glaubten, daß dies in der Sprache ihrer einstigen Herren {14} „Breitseite“ bedeutet hätte. Die Konstellation, die der Begriff bezeichnete, war folgende: Die eine der Zwillingssonnen, die genau auf gleicher Höhe standen, trat hinter der anderen hervor. Die Volumina der beiden Himmelskörper ergänzten sich so zu einem breiten Oval, das durch die Lichtbrechung der Atmosphäre verzerrt und vergrößert wurde, gleichzeitig verwandelte sich das orangefarbene Sonnenlicht in ein tiefes Rot. Diese Erscheinung schien regelmäßig direkt über dem Horizont stillzustehen, um dann unnatürlich schnell hinter ihm zu versinken. Diese Konstellation nun, die eine ganz bestimmte Ovalform haben mußte und sich unmittelbar vor Sonnenuntergang formieren mußte, hatte die Kraft, so glaubte man in Incana, Taten mit einem ungewissen Ausgang und einem hohen Risiko positiv zu beeinflussen. Zweifellos hatte eben jene Konstellation anderswo auf den vier Kontinenten von Monsalvat eine völlig andere, wahrscheinlich gegenteilige Bedeutung.
     
    Nur der flackernde Schein der Öllampen erhellte die dunklen Kellergewölbe der Dzoz Cucany. Ein weiteres Paar solcher Lampen trug ein Mann in schwarzem Gewand an einer eisernen Stange. An seinem Kopfschmuck war zu erkennen, daß es sich um Eddo Erisshauten handelte. Er wurde von weiteren Männern begleitet: Den winkeligsten Dreieckshelm trug Molio Azendarach. Der dritte verbarg eine recht rundliche Figur unter seinem Umhang und hörte auf den Namen Romulu Bedetdznatsch. Der vierte war der Torwächter der Festung.
    Die Art, in der sie sich durch den Gang bewegten, ließ zwei Deutungen zu: Entweder handelte es sich um eine zeremonielle Prozession oder um die heimliche Pirsch einer Räuberbande. In einer Reihe traten sie einer nach dem anderen zu den Schläfern, und sie beobachteten sie gespannt, immer befürchtend, daß das Mittel bei einem versagt hätte und er plötzlich erwachte. Morgin saß steif aufrecht an seinem Platz, und seine Augen waren nur halb geschlossen, aber sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Auch Tenguft saß noch immer aufrecht, aber ihre Augen waren geschlossen. So rückte die Prozession zu der Stelle vor, wo Meure seitlich auf die Bank gesunken war. Sie versammelten sich in einem Halbkreis zur Beratung und flüsterten kaum hörbar miteinander.
    Azendarach ergriff als erster das Wort: „Die Inhalation wird ihn aufwecken, nicht wahr?“
    Der Torwächter antwortete: „Gewiß, das Objekt wird gehfähig sein, aber es

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