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Stunde der Klesh

Stunde der Klesh

Titel: Stunde der Klesh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. A. Foster
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indem man all ihre Stämme vermischte – das hätten sie ohnehin nicht zugelassen. Es ging vielmehr darum, ein System zu ersinnen, in dem sich alle Stämme zu einem ineinandergreifenden Gefüge ergänzten.
    Unterhalb der Palastmauer der Stadt Yastian gab es einen Platz, den die Redner aufsuchten, wenn sie zum Volk sprechen wollten. Dorthin begab sich Sano, um seine Botschaft vorzutragen. Doch als er seine Rede beendet hatte, machten sich viele seiner Zuhörer über ihn lustig. Sie riefen: „Hört, hört! Sano der Schreiber will uns von uns selbst befreien. Das wollen wir erleben!“ Da verließ er die Plattform und sagte: „Das werdet ihr! Und ich werde dann nicht mehr Wasserjunge Letzter Zlat heißen, sondern ich werde vor euch treten als Inkarnation des Cretus, des schrecklichen Kriegers der alten Zeit {22} , aber ein Schreiber werde ich bleiben bis zum Ende meiner Tage.“ Der Mob buhte und warf mit Steinen nach ihm.
    Sano, der sich nun Cretus nannte, verließ die Stadt am Delta und zog nach Westen in das Land Ombur, wo seine Worte mehr Zustimmung fanden. Aber auch hier gelang es ihm nicht, die Menschen zum Handeln zu bewegen. So machte er sich über den Großen Fluß gen Norden auf, nach Incana. Hier endlich hörte man ihm nicht nur zu, sondern war auch bereit, seine Worte in Taten umzusetzen. Sein großer Plan begann Gestalt anzunehmen. Dies ging nicht ohne Kämpfe und Kriege ab, aber sein Reich wuchs ständig, und bald erzitterten alle Länder vor dieser neuerstandenen Macht, deren Stärke nur durch Zauberei zu erklären war. Doch diese Macht bedurfte keiner Hexerei; zum erstenmal in der Geschichte Monsalvats wurden hier unterschiedliche Veranlagungen zu einem schlagkräftigen Ganzen zusammengefaßt. Schließlich befehligte Cretus eine gewaltige, buntgemischte Armee, und er begann den langen Marsch durch Kepture.
    Doch jetzt muß von etwas die Rede sein, das auch zur Geschichte von Cretus dem Schreiber gehört. (Bei diesem Teil der Geschichte hatte Meure das deutliche Gefühl, daß Cretus ihm nicht alles sagte, sondern etwas zurückhielt; nicht damit es um jeden Preis ein Geheimnis bleibe, sondern um Meure vor etwas zu schützen, dem sich auch Cretus nicht offen zu stellen wagte.) Zwanzig Monsalvat-Jahre hatte Cretus bereits daran gearbeitet, sein gewaltiges Vorhaben zu verwirklichen. Während dieser Zeit hatte er ständig sein Orakel befragt, und immer hatte es ihm gute Dienste geleistet. Aber als Kepture schon fast ganz geeint war, der Krieg seinem Ende entgegenging und sogar Yastian am Delta die Waffen streckte, wurde Cretus allmählich klar, daß das Orakel sich zu verändern begann.
    Auch in seiner Umgebung änderte sich manches. Berater, Schönredner und Höflinge umschwärmten ihn. Er wußte, daß dies ganz natürlich war, stellte sich darauf ein und sah zu, daß er nicht von seinem eingeschlagenen Kurs abgebracht wurde. Die Vereinigung des großen Imperiums schritt neuerdings ein wenig langsamer voran. Manchmal schien es ihm, als würden all die Männer, die ihn umgaben, von jemandem gesteuert, der hinter der Bühne verborgen blieb. Mit der Zeit wurde dieses Gefühl immer deutlicher, gleichzeitig machte er eine weitere, bittere Erfahrung: Jetzt, da er Herr des vereinigten Kepture war, waren die anderen Kontinente in weite Ferne gerückt, wurden sogar ständig unerreichbarer. Die Landung in Chengurune war immer wieder aufgeschoben worden. Jetzt würde man sie bereits am Ufer erwarten, um die erste Übersee-Invasion in der Geschichte des Planeten zurückzuschlagen.
    Etwas anderes beunruhigte ihn noch mehr. Sein eigenes Orakel war unzuverlässig geworden. Oft war es kaum zu entziffern, so als werde es von außen gestört. Es zeigte Bilder, die verschwommen und undeutlich waren, und er begann ihnen zu mißtrauen, denn der Weg, den sie ihm wiesen, führte immer nur zu Kampf, Krieg und Blutvergießen. Darum befragte er es auf eine andere, geheime Art, die sein Stamm selten anwendete, und es sagte ihm, er solle in es hineingehen – der Weg war ihm bekannt –, um dort Ruhe zu finden, bis man ihn wieder rief.
    „Ist das die ganze Geschichte?“
    „Nein, nicht die ganze; nichts ist jemals vollständig. Aber es ist fast alles. Als ich zurückkam, hatte meine Welt sich sehr verändert. Wie ein anderer Planet erschien sie mir, aber ich erkannte sie doch wieder, mein Monsalvat/Aceldama. Eine lange Zeit mußte vergangen sein; das Imperium war untergegangen, und fast nichts war von ihm geblieben. Zwischen den

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