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Stunde der Vergeltung (German Edition)

Stunde der Vergeltung (German Edition)

Titel: Stunde der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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    Welche Ironie! Ausgerechnet ein Mann wie er sah sich aus einem irrationalen Antrieb heraus gezwungen, Tamara Steele zu beschützen, anstatt sie auszunutzen. In der Tat ein gefährliches Geheimnis – wie ihre juwelenbesetzten Bombenohrringe, ihre Elektroschockhalskette. Diesen Drang musste er sogar vor ihr geheim halten, denn er hatte das starke Gefühl, dass sie darüber nicht begeistert sein würde.
    Der Schlüssel klirrte in der schweren Metalltür und riss Imre aus seiner tiefen Gedankenversunkenheit. Er war im Geist durch die Räume der Uffizien gewandert und hatte sämtliche Bilder betrachtet, die er sich ins Gedächtnis rufen konnte. Im Grunde waren das alle, wenngleich er seine Favoriten am klarsten sah.
    Das mentale Konstrukt löste sich auf. Eine Woge der Schwäche und Angst spülte über ihn hinweg.
    Ein weiterer Besuch. Es amüsierte Gabor Novak, Imres Entwicklung zu überprüfen, genauer gesagt seinen Abbau. Der Mann liebte es, Schwächen aufzuspüren, um seinem Opfer jede nur erdenkliche psychologische Folter angedeihen zu lassen. Und er hatte ein teuflisches Talent dafür.
    Imres Abwehr beschränkte sich auf Schweigen, aber es war eine armselige Abwehr. Schon jetzt krümmte er sich zusammen, als hätte man ihn geschlagen oder getreten.
    Die Metalltür schwang weit auf und krachte mit einem ohrenbetäubenden Knall gegen die Betonblöcke. Zwei große Männer traten ein. Einer zielte mit einer automatischen Waffe auf Imre, der andere trug einen Klappstuhl herein. Novak schlurfte ins Zimmer und setzte sich. Er grinste wie ein Honigkuchenpferd.
    Imre fokussierte einen Punkt hinter der Schulter des Mannes, dabei verschränkte und öffnete er unentwegt die Hände und unterdrückte den Drang, sich auf sie zu setzen, um seine zitternden Finger zu verstecken.
    Er sagte sich, er müsse keine Furcht empfinden. Er starb ohnehin, nicht wahr? Bald schon würde er alles verlieren, was er zu verlieren hatte. Falls einige Teile, wie beispielsweise Finger, früher starben, na und wenn schon. Den Schmerz würde er bald hinter sich lassen.
    Seine Bemühungen waren sinnlos. Er konnte sich seine Angst nicht ausreden. Zumindest war er dankbar dafür, dass er seine Brille nicht trug. Es war nur noch eins der Gläser intakt. Das andere war bei der zweiten Tracht Prügel zerbrochen. Mit dem einen Auge klar zu sehen und mit dem anderen verschwommen verursachte ihm schreckliche Kopfschmerzen. Da das Letzte, was er brauchte, zusätzliche Schmerzen in irgendeinem Körperbereich waren, hatte er die Brille ganz aufgegeben und sie unter die Matratze geschoben. Folglich konnte er die grausigen Details von Novaks Gesicht und das fiebrige Glitzern seiner gelbstichigen, hervorquellenden Augen nicht sehen, sondern nur verschwommene Konturen. Allerdings roch er den stinkenden Atem des Mannes nur allzu deutlich.
    »Ich habe sehr lange über dich nachgedacht, Imre.« Novak sprach, als erwiese er ihm eine große Ehre. »Ich glaube, du und ich, wir haben etwas gemeinsam«, fuhr er im freundlichen Plauderton fort.
    Gott bewahre , dachte Imre und senkte den Blick auf seine zuckenden Finger. Er zwang sich, sie still zu halten, damit sie keine Aufmerksamkeit auf sich zogen.
    »Ich erkenne an deiner Gesichtsfarbe und deiner Magerkeit, dass du von einer tödlichen Krankheit aufgezehrt wirst«, sagte Novak. »Krebs?«
    Seine Überraschung verleitete Imre dazu, unwillkürlich hochzugucken und Novaks Blick zu begegnen.
    Obwohl er die Augen ebenso schnell wieder senkte, lachte Novak befriedigt.
    »Das dachte ich mir. Leber? Magen? Gehirn? Dir bleibt nicht mehr lange, nicht? Ich kann es fühlen, Imre. Wie ironisch für Vajda, findest du nicht? Er strengt sich so sehr an, nur um das Leben eines sterbenden Mannes zu retten. Wie lange haben sie dir gegeben?«
    Imre versuchte zu schlucken, aber seine Kehle war zu trocken. Er begann zu husten, und als er erst mal angefangen hatte, konnte er nicht aufhören.
    »Nicht lange, stimmt’s?« Novak lachte wieder. »Drei Monate? Sie sagen gern drei Monate. Es ist ihre Standardaussage. Das haben sie auch zu mir vor sieben Monaten gesagt, aber wie du siehst, lebe ich noch. Ich verrotte innerlich, das ist wahr, trotzdem bin ich noch hier. Die Energie, die ich aus dem Tod dieser Frau schöpfen werde, wird mir mindestens einen weiteren Monat einbringen. Solche Bestrafungen laden mich auf wie eine Batterie. Möchtest du gern teilhaben? Es könnte bei dir die gleiche Wirkung zeigen.«
    Imre schaute ihn wieder an.

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