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Stunde der Vergeltung (German Edition)

Stunde der Vergeltung (German Edition)

Titel: Stunde der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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einer schartigen, scharfen Spitze. Er presste sie in seinen Daumenballen.
    Ein dunkler Blutstropfen quoll hervor.
    Imre saß stundenlang reglos da und starrte wie hypnotisiert auf die Glasscherbe, bis die Lichter abgeschaltet wurden und er wieder der pechschwarzen Finsternis ausgeliefert war.

14
    Tam saß auf dem Bettrand und starrte mit großen Augen auf die kahle Wand. Es machte keinen Unterschied, ob sie offen oder geschlossen waren. Sie konnte die Bilder im Inneren ihres Kopfes nicht ausblenden. Auch die Geräusche nicht. Sie hatte es versucht, aber in der Ferne ertönten unentwegt Gewehrschüsse. Grauenvolle Schreie drangen aus den gefürchteten Kellerverliesen von Sremska Mitrovica, in denen die Folterknechte ihre Arbeit verrichteten.
    Sie wollte die Hände auf die Ohren schlagen, doch das Problem war, dass die Geräusche ihrem Kopf entsprangen. Tam krampfte die Hände so fest in die Bettdecke, dass die Knöchel weiß hervortraten. Sie klammerte sich an ihrer gegenwärtigen Realität fest, an diesem teuren, sauberen, sicheren Hotelzimmer. Sie war im Huxley, zusammen mit ihrer Tochter, im Kreis von Freunden. Sie steckte nicht in einem stöhnenden Pulk schwitzender Körper fest. Das Elend, der Gestank, die Läuse. So viele Menschen zusammengepfercht, dass man nicht mal auf dem Boden liegen konnte.
    Rachel schlief in dem Bett hinter ihr. Das reizüberflutete kleine Mädchen dazu zu überreden, sich hinzulegen, nachdem es den ganzen Abend mit Sveti und den anderen Kindern gespielt und dann auch noch zu viel von der Schokoladenhochzeitstorte gegessen hatte, hatte den üblichen Affenzirkus nach sich gezogen. Trotzdem war Tam in dieser Nacht nicht wie sonst froh, mit ihren Gedanken allein zu sein.
    Erstaunlicherweise hätte sie heute Nacht die Stille mit Freuden gegen Lärm und Ablenkung eingetauscht, sogar gegen einen lautstarken Trotzanfall. Nur um die Bilder zu verdrängen.
    Pech für sie. Rachel brauchte ihren Schlaf, und Tam musste allein zurechtkommen. Mit brennenden Augen und verknotetem Magen beobachtete sie, wie Erde auf die weit geöffneten Augen von Irina und ihrer Mutter niederprasselte.
    Die Erinnerungen gaben ihr das bizarre Gefühl, doppelt zu sehen. Zwei Realitäten, die einander überlagerten, die eine kaum mehr oder weniger real als die andere. Obwohl es im Zimmer warm war, hatte sie eine Gänsehaut – hervorgerufen durch die Kälte in jenem anderen Raum in Titograd, vor sechzehn Jahren.
    Tamar hatte damals auf dem durchhängenden Bett gesessen, mit einer verblichenen Brokatüberdecke unter ihrem Po, die sich kalt anfühlte. Sie trug nur ein nuttiges rotes Seidenunterkleid. Das sei das Einzige, was sie für seine Zwecke benötigte, hatte Stengl gesagt. Keine Schuhe, keinen Mantel. Ihr Atem formte rhythmisch Dampfwölkchen vor ihrem Gesicht. Die eisige Luft ließ das Innere ihrer Nase mit jedem Atemzug gefrieren. Wenn sie nur wüsste, wie man aufhörte zu atmen. Sie hatte es versucht.
    Das Fenster des Hotelzimmers stand weit offen. Sie hatte es selbst geöffnet. Schnee wehte herein.
    Die Sekunden tickten vorüber auf dem vergoldeten Reisewecker neben dem Bett. Das Zimmer war abgesperrt, die Fenster mit gusseisernen Gittern gesichert, die sie nicht öffnen konnte. Ihre Finger waren rissig von ihren Bemühungen. Schneeflocken wehten herein und ließen sich auf dem Teppich nieder. Sie schmolzen nicht. Tick, tick, tick.
    Schlotternd saß sie da und wartete, dass Stengl zurückkommen und fordern würde … was er immer forderte. Sie überlegte, ob die Zeit ausreichen würde, um vorher zu erfrieren.
    Bibbernd vor erinnerter Kälte zwang Tam sich gewaltsam in die Realität ihrer derzeitigen Umgebung zurück. Sie verspürte einen Anflug von Ärger über sich selbst, weil sie sich so tief in den bodenlosen Abgrund der Erinnerung hatte fallen lassen. Es war dumm und unverantwortlich, ob es nun aus Absicht geschehen war oder nicht. Sie stand auf, tapste hinüber zum Thermostat und stellte ihn höher ein, um die Kälte zu vertreiben
    Tam legte sich hin und zog die Decke über sich. Sie tastete nach Rachels knochigem, kleinem Rücken und spürte das weiche Heben und Senken ihrer Atemzüge. Die Wärme und das Leben, die das kleine Mädchen abstrahlte, spendeten ihr Trost.
    Sie freute sich nicht darauf, Rachel erklären zu müssen, dass sie für einige Tage verreisen würde. Dem Himmel sei Dank für Erin, die zugestimmt hatte, währenddessen für sie und auch für Sveti zu sorgen, die angeboten hatte, länger zu

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